Die Christen im Heiligen Land haben mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen

Eine Minderheit mit Problemen

Veröffentlicht am 12.01.2017 um 10:41 Uhr – Lesedauer: 
Heiliges Land

Tel Aviv ‐ Bischöfe aus Europa, den USA und Südafrika wollen sich bei ihrem Solidaritätstreffen im Heiligen Land über die Situation der Christen vor Ort informieren. Die Minderheit hat mit vielen Problemen zu kämpfen.

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Für Christen weltweit sind Israel und die Palästinensergebiete das Heilige Land: ein Sehnsuchtsort mit den wichtigsten religiösen Stätten in Bethlehem und Jerusalem. Dort ist Jesus geboren, gestorben und wieder auferstanden. Zwischen Mittelmeer und Jordan bilden die Christen allerdings nur eine kleine Minderheit - und haben nicht nur mit dem allgegenwärtigen Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu kämpfen.

"Die Zahlen schrumpfen bei den arabischen Christen", sagt der Interimsleiter der Dormitio-Abtei in Jerusalem, Pater Nikodemus Schnabel. "Die gehen weg, sie bekommen schnell woanders Asyl als Verfolgte." Die Christen seien zudem oft gut ausgebildet und gut international vernetzt - "und sie bekommen die wenigsten Kinder". Im Westjordanland sollen unter 2,9 Millionen Menschen knapp 50.000 Christen leben, das entspricht 1,7 Prozent. In Bethlehem, traditionell eine christlich geprägte Stadt, sind laut Verwaltung weniger als die Hälfte der 33.000 Bewohner christlich. Viele seien nach Süd- oder Mittelamerika ausgewandert. In Israel leben nach Angaben des Zentralen Israelischen Statistikbüros rund 166.000 Christen - rund zwei Prozent der Bevölkerung.

Nachteile auf beiden Seiten

Die meisten Christen in Israel sind Araber. Sie sehen sich überwiegend als Palästinenser. "Es ist bekannt, dass die palästinensische Minderheit in Israel in vielem nicht die gleichen Rechte genießt wie die jüdische Mehrheit", sagt der Propst der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem, Wolfgang Schmidt. Dies gelte zum Beispiel bei der Entwicklung von Baugebieten. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Adalah hatte etwa die israelische Landbehörde (ILA) im Jahr 2013 insgesamt 44 Industriezonen in jüdischen Nachbarschaften ausgeschrieben und keine in arabischen. "Umgekehrt kann man sagen, in Palästina haben Christen unter der Besatzungssituation ebenso zu leiden wie ihre muslimisch-palästinensischen Mitbürger", sagt der Propst. "Insofern haben sie auf beiden Seiten die entsprechenden Nachteile."

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Triers Bischof Stephan Ackermann wird als deutscher Vertreter am 17. Internationalen Bischofstreffen im Heiligen Land teilnehmen. Wie in den Jahren zuvor verfolgt die Reise vor allem ein Ziel.

Der Historiker Amnon Ramon vom Jerusalemer Institut für Politikforschung beurteilt die Situation der Christen zwiespältig. "Das Problem der arabischen Christen ist, dass sie auf eine gewisse Art eine Minderheit in der Minderheit sind." Rund 20 Prozent der Menschen in Israel sind Araber. Im Vergleich zu anderen Arabern hätten die meisten Christen einen sehr hohen Lebensstandard, sagt Ramon. "Da gibt es manchmal Spannungen." Sie hätten Zugang zum Arbeitsmarkt, aber Bereiche wie die Sicherheitsindustrie blieben ihnen verschlossen.

Zuerst Christen oder Palästinenser oder Israelis?

Die Christen müssten auch für sich entscheiden, zu welcher Gruppe sie sich zugehörig fühlen, sagt Propst Schmidt. "Sie haben natürlich erst recht die Identitätsfrage: Sind wir zuerst Christen, sind wir zuerst Palästinenser, sind wir zuerst Israelis?" Diese Identität müsse ständig neu definiert, erkämpft und geklärt werden. Pater Nikodemus bereitet zudem eine andere Entwicklung Sorge. "Wir beobachten eine Selbstgettoisierung", sagt der Mönch. Christen blieben am liebsten unter sich, zögen sich aus der Fläche in bestimmte Wohnviertel zurück, wie in Beit Safafa und Beit Hanina. Die Kirchen dort seien voll. "Aber die Menschen begegnen den beiden Mehrheitsreligionen mit einer wachsenden Grundskepsis." Die arabischen Christen blickten zum Teil mit großer Sorge auf den Kampf mit dem Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS), sagt Pater Nikodemus. "Sie haben Angst davor, dass die auch hierher kommen." Er höre Sätze wie: "Den Muslimen kann man auch nicht trauen. Wir wissen nicht, was sie vom IS halten."

Zudem ist es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Angriffen national-religiöser Juden auf christliche Einrichtungen gekommen. Wenn Pater Nikodemus durch die Altstadt in Jerusalem geht, spucken immer wieder Menschen vor ihm auf den Boden - oder ihn an. "Geh zurück nach Italien", sei ein Spruch, den er öfter zu hören bekomme. Für manche Angehörige dieser Gruppierung sind Christen Götzendiener, weil sie neben Gott auch seinen Sohn Jesus Christus verehren. 2014 gab es einen Brandanschlag auf die Dormitio-Abtei in Jerusalem, 2015 einen auf das Bruderkloster in Tabgha am See Genezareth. Zwei junge Männer wurden später für die Tat in Tabgha angeklagt - sie gehören laut Behörden angeblich einer radikalen Siedlerbewegung an, die schon mehrfach Anschläge begangen haben soll.

Von Stefanie Järkel (dpa)