Erzbistum Hamburg: "Die Lage ist desaströs"
"Es wird ans Eingemachte gehen": Hamburgs Erzbischof Stefan Heße erwartet einen harten Kampf gegen die finanzielle Krise seiner Diözese. Erst vor einer Woche hatte die Unternehmensberatung Ernst & Young ein dramatisch schlechtes Urteil über die Situation gefällt und dringenden Handlungsbedarf attestiert. Der Chef schien die Warnung ernst zu nehmen: In Gesprächen mit regionalen Medien kündigte Heße am Wochenende drastische Schritte an.
Schulden könnten auf über 350 Millionen Euro steigen
Knapp 80 Millionen Euro beträgt der Schuldenstand des Erzbistums Hamburg derzeit – und ohne Änderungen könne dieser in den nächsten drei Jahren gar auf über 350 Millionen Euro steigen. Zu viel, um "nur eine oberflächliche Kurskorrektur" vorzunehmen, bekannte Heße gegenüber dem NDR. "Wir müssen handeln und wir müssen in allen Bereichen handeln." Das betrifft vor allem die Ausgabenseite, denn die Einnahmen werden langfristig ebenfalls dramatisch zurückgehen: Bis 2050 rechnet das Erzbistum mit einem Rückgang allein der Kirchensteuer um 26 Prozent.
Zwei große Kostenpunkte stehen daher dem Vernehmen nach nun besonders im Fokus: Gemeindeimmobilien wie Kirchen und Pfarrhäuser einerseits, kostenintensive katholische Schulen andererseits. So könnten an vielen Orten des flächengrößten deutschen Bistums in den kommenden Jahren schmerzhafte Abschiede anstehen. Im "Hamburger Abendblatt" mahnte der Erzbischof: "Für einen Gottesdienst braucht man keine Riesenkirche." Und warum die Sonntagsmesse nicht im Multifunktions-Gemeindesaal feiern? Schon jetzt werden die 80 Pfarreien des Bistums zu 28 pastoralen Räumen zusammengelegt. Und ob diese auch längerfristig alle der 756 Pfarrei-Immobilien übernehmen, scheint unwahrscheinlich.
Sparbeschlüsse sollen Mitte 2018 fallen
Auch die 21 katholischen Schulen zwischen Nord- und Ostsee stehen jetzt auf dem Prüfstand. Medien sehen bereits vier bis acht von ihnen auf einer roten Liste. Der Erzbischof müht sich unterdessen, solche Gerüchte nicht zu bestärken; "im Moment gibt es gar keine Entscheidung". Doch lange will er darauf nicht warten lassen. Bereits bis zur Jahresmitte 2018 will das Erzbistum die Sparbeschlüsse gefasst haben. "Jeder Tag, an dem man nichts macht, ist ein Tag, an dem Geld ausgegeben wird. Und das können wir uns nicht leisten", sagte Heße gegenüber dem NDR.
Der Erzbischof hat bei allen anstehenden Überlegungen ein klares Ziel: "Wir müssen uns von Ballast befreien, damit wir wieder beweglich und handlungsfähig werden." Die Berater von Ernst & Young hatten dazu Maßnahmen vorgeschlagen wie den Verkauf von Gebäuden, die Aufgabe von Schulen und Kindergärten oder auch einen Stellenabbau in der bischöflichen Verwaltung. Im Gespräch mit dem "Abendblatt" wünschte sich Heße zudem ein professionelles Controlling und sprach von der möglichen Einrichtung eines Wirtschaftsrates.
Linktipp: Ost-Bischöfe warnen vor Wegfall der West-Zuschüsse
Jährlich fließt ein sogenannter Strukturbeitrag in Millionenhöhe von den deutschen West- in die Ostbistümer. Ein möglicher Wegfall wäre die falsche Entwicklung, sagen die ostdeutschen Bischöfe nun.Dabei erhofft sich Heße nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine spirituelle Stärkung der Erzdiözese. "Ich glaube, wir können auch mit viel weniger gut Kirche sein", erklärte er im NDR. Weltweit gebe es zahlreiche Diözesen, die sich weder Bildungshaus noch Schulen leisten könnten und dennoch ein blühendes Glaubensleben hätten. Dies wolle man sich in Hamburg zum Vorbild nehmen.
Die wirtschaftliche Sanierung ist daher auch nur eine Hälfte des laufenden "Erneuerungsprozesses" im Erzbistum. Parallel wird derzeit ein "pastoraler Orienterungsrahmen" erarbeitet, der Anfang Februar vorgestellt werden soll. Pastorale und wirtschaftliche Prinzipien gemeinsam würden dann die Ziele für die Zukunft setzen, wie Andreas Herzig, Leiter der Stabsstelle Medien, gegenüber katholisch.de erklärte.
Heße plädiert für Finanzausgleich zwischen Bistümern
Trotz aller Anstrengungen des Erzbistums werde es jedoch auch zukünftig wirtschaftliche Hilfe von Außen brauchen, ließ der Erzbischof in den vergangenen Tagen mehrfach anklingen. Derzeit greifen die finanzstarken deutschen Diözesen den Diasporabistümern im Rahmen eines sogenannten Strukturbeitrags unter die Arme. In Hamburg kamen davon zuletzt 1,6 Millionen Euro an. Doch bis 2020 soll dieser Beitrag schrittweise abgestellt werden. Und noch laufen die Verhandlungen zwischen den Bischöfen für die Zeit danach. Wie seine ostdeutschen Amtsbrüder hat auch der Hamburger Erzbischof ein großes Interesse daran, eine dauerhafte Finanzhilfe zu etablieren. Als ehemaliger Generalvikar im potenten Erzbistum Köln weiß er, welche Spielräume dafür möglicherweise noch vorhanden sind.