Es heißt Trisomie 21
Knifflige Fragen. Als kleinen Wegweiser hat der Deutsche Knigge-Rat gemeinsam mit der Inklusionsexpertin des Wohlfahrtsverbands "Der Paritätische" in Hessen, Katja Lüke, am Mittwoch einen Katalog mit zehn Tipps zum respektvollen Umgang mit behinderten Menschen vorgestellt.
"Ich hatte am Anfang Berührungsängste", gesteht Lüke. Da sie selbst im Rollstuhl sitze, habe sie sich gefragt, ob es überhaupt eine Anleitung für einen höflichen Umgang brauche. Aber schnell stellte sich heraus: "Nichtbehinderte sind im Umgang mit Menschen mit Behinderungen oftmals selbst blind, taub und unbeholfen." Ein Ergebnis: Allein die Beeinträchtigung stehe im Mittelpunkt. Plumpe Neugier, bestürztes Mitleid und bevormundende Hilfsbereitschaft seien dann die Folgen.
Gegenüber immer als gleichwertige Person wahrnehmen
Wichtig ist es, so der Rat der Expertin, beim ersten Aufeinandertreffen weder durch Anstarren den Gegenüber zu verunsichern, noch ihm penetrant Hilfe anzubieten. Man müsse Privatsphäre und Freiraum akzeptieren. Zwar sei es nett, zu helfen, aber wenn der andere das nicht wolle, müsse ein "Nein" hingenommen werden, betont Lüke. Generell gelte, es den Gegenüber immer als gleichwertige Person wahrzunehmen und auch so anzusprechen. Über einen Menschen mit Behinderung hinweg zu reden, sei schlicht verletzend, auch wenn dieser auf einen Dolmetscher oder eine Begleitung angewiesen sei. "Es ist ja sowieso ein Gebot der Höflichkeit, sich beim Reden anzusehen", sagt Lüke.
Formulierungen wie "Auf Wiedersehen!" zu einem blinden Menschen oder ein "Sollen wir spazieren gehen?" zu einem Rollstuhlfahrer wertet die Expertin dahingegen selten als Problem. "Für jeden Menschen und jede Art von Behinderung sind aber verschiedene Umgangsformen besonders wichtig." Das betreffe beispielsweise Gesprächen über die Beeinträchtigung. Gehörlose Menschen als "Taubstumme" zu bezeichnen sei schlicht falsch, ebenso heiße es Trisomie 21 oder Down-Syndrom und nicht Mongoloismus.
"Das sind sehr hilfreiche Tipps", kommentiert der Sprecher des Behindertenhilfswerks Aktion Mensch, Sascha Decker, den Knigge-Ratgeber. Viele Menschen seien übermäßig vorsichtig und wüssten nicht, wie sie mit Behinderungen umgehen sollten. "Sie vermeiden lieber jeglichen Kontakt, als etwas falsch zu machen." Allein die Frage, wie man mit einer Person ins Gespräch komme, sei oft schwierig. "Über diese Hürde zu reden, ist ein guter Schritt, um mehr Normalität im Miteinander zu erreichen", so Decker.
Deutliche Berührungsängste zwischen Menschen mit und ohne Behinderung
Auch der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe (CDU), sieht großen Bedarf für Tipps im höflichen Umgang. "Da wir in getrennten Lebensräumen aufwachsen, gibt es zwischen Nichtbehinderten und Menschen mit Behinderung deutliche Berührungsängste", so Hüppe. Menschen ohne Behinderung hätten in vielen Fällen nie gelernt, unbefangen mit slochen mit Behinderung umzugehen.
"Wichtig ist, dass bei Ratschlägen für einen höflichen Umgang alle Formen von Behinderungen mit einbezogen werden", betonte Hüppe. Er selbst findet es etwa unangebracht, dass Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung in der Öffentlichkeit oft einfach geduzt würden. Einen Nichtbehinderten im Erwachsenenalter würde man schließlich auch nicht, ohne zu fragen, mit "Du" anreden. So etwas sei schlicht unhöflich, findet der Politiker.
Von Anna Mertens (KNA)