Es kommt ein Schiff, geladen
Was mich an diesem Lied schon als Kind fasziniert hat, ist, wie geheimnisvoll das Schiff und der gesamte Text erscheinen: Zunächst habe ich mir einen voll beladenen Containerfrachter vorgestellt oder eher noch ein mit Schätzen beladenes Schiff, denn es heißt ja im Text, es trage "ein teure Last" und "Gottes Sohn voll Gnaden". Noch mehr Bilder im Kopf entstanden, als ich bedachte, dass es wohl die hochschwangere Maria sein muss, die hier als langsam herannahendes Schiff bezeichnet wird.
Meine Phantasie schlug weitere Purzelbäume, als es hieß "das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast": Es wurde für mich eine Art Geisterschiff oder ein Luftschiff, das zwischen Himmel und Erde reist, während der Anker nun am Ende des Advents auf Erden haftet. "Ist dieses Schiff im Mittelmeer unterwegs, legt es in Israel an?" und "Ob ich es wohl einmal sehen und mitfahren kann?" waren die Fragen, die ich mir im Grundschulalter stellte.
Als dieses Jahr am dritten Adventssonntag bei uns die Pfadfinder das Friedenslicht aus dem heiligen Land in die Kirche brachten und am Ende "Es kommt ein Schiff geladen" gesungen wurde, hatte ich ein aktuelles Bild vor Augen: schwer beladene, ja übervolle Schiffe und Boote mit Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. Auch sie tragen die "teure Last", weil sich in der Würde jeder Person das Antlitz Gottes spiegelt. So, wie es in der fünften Strophe heißt, dass man auch mitleiden muss, wenn man das "Kind mit Freuden umfangen" will, kann für mich dieses Jahr nur dann Weihnachten werden, wenn ich all die Menschen auf der Flucht nicht vergesse.
Von Agathe Lukassek