Fall McCarrick: US-Kardinäle geraten in Erklärungsnot
Nach den jüngsten Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem früheren Erzbischof von Washington, Kardinal Theodore McCarrick, geraten mehrere US-Kardinäle in Erklärungsnot. "Ich war geschockt und überwältigt", sagte der für Laien und Familien zuständige irisch-amerikanische Kurienkardinal Kevin Joseph Farrell am Dienstag (Ortszeit) der katholischen Nachrichtenagentur CNS. "Ich habe während der sechs Jahre an seiner Seite niemals davon gehört."
Farrell teilte sich als Weihbischof mit McCarrick in Washington eine Wohnung und betrachte den charismatischen Kardinal lange Zeit als seinen Mentor. Vor seinem Wechsel nach Rom arbeitete er für McCarrick als Generalvikar an der Spitze der Kirchenverwaltung. Kritiker halten es für nur schwer vorstellbar, dass Farrell nicht mindestens von den Vorwürfen gegen den Kardinal hörte.
Genau das nimmt auch der Nachfolger McCarricks, Kardinal Donald Wuerl, für sich in Anspruch. Der Erzbischof von Washington erklärte bereits Ende Juni, er habe alle Aufzeichnungen und Dokumente der Erzdiozöse angefordert, die Aufschlüsse liefern könnten. "Basierend auf der Durchsicht, kann ich berichten, das keine Forderung - glaubhaft oder nicht - gegen Kardinal McCarrick während seiner Zeit hier in Washington erhoben worden ist."
Die "Washington Post" hatte berichtet, dass Kardinal McCarrick, der von 2001 bis 2006 das Erzbistum Washington leitete, nicht nur junge Priesteranwärter sexuell missbraucht haben soll, sondern mindestens auch zwei Minderjährige; vielleicht sogar mehr. Schon im Juni wurde bekannt, dass der Geistliche auf Anweisung von Papst Franziskus nicht mehr öffentlich priesterliche Aufgaben ausüben darf. Hintergrund war der für glaubwürdig befundene Vorwurf, McCarrick habe sich als Priester vor 45 Jahren des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht.
Nachfragen muss sich in der Causa McCarrick auch Kardinal Sean O'Malley aus Boston gefallen lassen, der mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen US-Kirche beauftragt ist. Dieser war 2015 durch den katholischen Priester Boniface Ramsey aus New York mit Vorhaltungen gegen McCarrick konfrontiert worden. Ramsey sagt, er habe nie eine weiterführende Rückmeldung erhalten.
O'Malley selbst veröffentlichte am Dienstag ein Statement. Darin betonte er, dass - sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten - die Taten "moralisch inakzeptabel und mit der Rolle eines Priesters, Bischofs oder Kardinals unvereinbar" seien. In den Augen O'Malleys sind nun drei Maßnahmen erforderlich. Zunächst müsse man die Vorwürfe gegen McCarrick schnell und fair beurteilen. Als zweites müsse man die kirchlichen Standards und Vorgehensweisen für solche Fälle auf allen Ebenen überprüfen - auch wenn es gegen Bischöfe geht. Und drittens müsse allen Gläubigen und Missbrauchsopfern deutlicher kommuniziert werden, wie sie Vorwürfe gegen Bischöfe und Kardinäle melden können. (bod/KNA)