Fasten-Wandern für Leib und Seele
Beim Fasten-Wandern finden sich Menschen unterschiedlichen Alters zusammen, um auf feste Nahrung zu verzichten und gemeinsam zu wandern. Auf dem Speiseplan stehen in dieser Zeit Wasser, Kräutertee, Haferwasser, Gemüsesaft, manchmal auch eine Gemüsebrühe. Vor allem die ersten Tage sind für viele Teilnehmer eine enorme Umstellung, wie der Körper auf den Nahrungsentzug anspricht, lässt sich nur schwer vorhersagen. "Jeder Körper reagiert individuell. Das muss man ausprobieren. Das Wichtigste ist viel zu trinken, mindestens drei Liter am Tag", erklärt Irmtraud Übelacker (65). Die Heilpraktikerin bietet seit 15 Jahren Fasten-Wanderungen an, meist über einen Zeitraum von einer Woche. Sie steht den Fastenden mit Ratschlägen und Tipps zur Seite, legt aber Wert darauf, dass sie sich frei fühlen, keinen Druck verspüren, hier soll keine Leistung bewertet werden. Aus Erfahrungen weiß sie, wie wichtig diese Auszeit für viele von den Teilnehmern ist. "Viele kommen, um eine Krise zu überwinden, andere werden sich hier bestimmter Probleme bewusst."
Der Gedanke an Essen ist gerade in den ersten Tagen allgegenwärtig, daher nimmt die 65-Jährige in ihrer Gruppe immer ein paar "alte Hasen" mit, die den neuen von ihren Erfahrungen berichten können und dadurch helfen, den ein oder anderen Tiefpunkt zu überwinden. Und langsam passt der Körper sich der neuen Situation an, Körper- und Hungergefühl verändern sich. Auf einmal ist es gar nicht mehr so schwer, nichts zu essen, sondern fast angenehm. Eine Leichtigkeit durchzieht den Körper, viele Fastende geraten in einen euphorischen Zustand und können neue Kräfte mobilisieren. Mancher Ballast fällt ab, nicht nur vom Körper, sondern auch von der Seele.
Das Fasten-Wandern ist Verzicht üben. Auf die vielen Versuchungen, die einem täglich begegnen, einfach mal zu verzichten – für den Körper und für den Geist eine besondere Erfahrung. Oftmals ist nicht nur der Körper überversorgt, sondern auch der Geist, mit all den Reizen und Informationen, denen wir den ganzen Tag ausgesetzt sind. Prioritäten setzen und sich abgrenzen fällt im Alltag schwer. Wissenschaftliche Studien und die positiven Erfahrungen von Teilnehmern zeigen, dass man mit Fasten-Wandern dem Körper und der Seele etwas Gutes tut, ähnlich einem Hausputz: Aufräumen, Entschlacken, Neuordnen.
Durch den Verzicht auf Essen wird auf die Zellen Stress ausgeübt, durch den sich ihre Widerstandsfähigkeit erhöht. Zur Energiegewinnung greift der Körper erst einmal auf die Kohlenhydratreserven zurück, später kommen die Fettdepots dran – der Stoffwechsel wird angekurbelt. Über einen begrenzten Zeitraum hat der Körper genügend Fett und somit Brennstoff zur Verfügung, um sich ausreichend zu versorgen. Das Erstaunliche: Auch ohne Nahrung bleibt die Leistungsfähigkeit erhalten. Wegbereiter des Fasten-Wanders in Deutschland war vor rund 40 Jahren Christoph Michl (70). Der Religionslehrer kehrte 1982 dem Schuldienst den Rücken und ging das Risiko ein, sich fortan ganz dem Projekt "Fasten-Wandern" zu widmen.
Tiefe Ausgeglichenheit und Zufriedenheit
Das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit konnte er mit einem Auftritt im ARD Gesundheitsmagazin gewinnen. Er gründete die Fasten-Wander-Zentrale in Kaiserslautern, in der auch Fasten-Wander-Leiter ausgebildet werden. "Ich wollte die Menschen wieder in die Natur holen. Sie sollten zu sich finden und zu ihren Bedürfnissen. Bei mir gab es nie Theorie über innere Harmonie und Ausgeglichenheit – wir sind losgegangen und die Leute sollten es fühlen, sie sollten dem Wunsch nach Bewegung folgen." Ein unkonventioneller Mann, der einen außergewöhnlichen Lebensweg beschritten hat. Über 30 Jahre war er 25 Wochen im Jahr mit Gruppen unterwegs. Wie sich das Fasten, das Bewegen in der Natur auf den Körper und den Geist auswirkt, kann er nur zu gut aus eigener Erfahrungen beurteilen. Neben dem Gewicht, das die Teilnehmer verlieren, ist der psychische Faktor entscheidend. "Je länger man den bewussten Verzicht übt, desto entspannter wird der Geist." Dem kann Irmtraud Übelacker nur zustimmen. "Während des Wanderns spüren wir eine tiefe innere Ausgeglichenheit und Zufriedenheit in uns und sind voller Glück. Das ist etwas Wunderbares."