Frommer Kitsch
Zu den vielen Unverständlichkeiten der gegenwärtigen Entwicklung zählt das Wiedererstarken einer weitgehend naiven und weltflüchtigen Religiosität. Der Erfolg eines frommen Erweckungsromans wie "Die Hütte" von William Paul Young, der sich monatelang an der Spitze der US-Bestsellercharts behauptete und auch in Deutschland millionenfach verkauft wurde, fügt sich nahtlos ins Rätselbild anti-intellektueller Gegenkräfte. Die Adaption des Bestsellers fürs Kino (ab 6. April in Deutschland zu sehen) überführt die an vielen Stellen reichlich simple Laientheologie nun auch noch in den Kitsch kindlicher Poesiealben-Sticker.
Schon das Filmplakat spricht Bände. Darauf steht ein stämmiger Mann im Holzfällerhemd in einer Winternacht vor jener Hütte, in der seine kleine Tochter ermordet wurde. Die bittere Dunkelheit wird von einem gleißenden Licht überstrahlt, das Schneeflocken durch die Luft wirbeln lässt, auch weil Gott in Gestalt der afro-amerikanischen Schauspielerin Octavia Spencer zu Hilfe eilt. Das Poster verdichtet Handlung wie Ästhetik eines hart an der Grenze zur Fantasy angesiedelten Films. Die Dramaturgie greift die Struktur der Romanvorlage auf und folgt zunächst dem Campingausflug einer Familie am Labor Day, der in herbstlich gefärbte Wälder im US-Bundestaat Oregon führt und an dem die Jüngste spurlos verschwindet.
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Jahre später erhält der innerlich verhärtete Vater einen mit "Papa", dem familiären Kosewort auch für Gott, unterzeichneten Brief, der ihn zu einem Wochenende an jenem Ort auffordert, an dem man das blutverschmierte Kleid seiner Tochter fand. Widerstrebend leistet er der mysteriösen Einladung Folge, droht dabei aber der Verzweiflung anheimzufallen. Bis er draußen einen jungen Mann hört, der ihn aus der Winterstarre in ein frühlingshaft blühendes Paradies lockt, wo er Gott höchstpersönlich begegnet.
Ohne Rauschebart, ohne Weihrauch
Statt dem von Bachkantaten und Weihrauch umflorten Rauschebart trifft er aber auf eine schwarze Nanny, die ihn mit sanfter Geste in ihre Arme schließt. Mit von der Partie sind Jesus mit Modelfigur und Hipster-Bart sowie eine mandeläugig-sanfte Schönheit als Heiliger Geist. Jede Figur im göttlichen Haushalt hat ihre Aufgabe: Papa kocht, backt und hält die Fäden zusammen, der Sohn zimmert in seiner Werkstatt, die "Sarayu" (Wind) getaufte Weisheit antwortet auf drängende Fragen mit Gleichnissen und Hinweisen.
Als wenig später die Verzweiflung wiederkehrt und der Vater auf dem See in die Tiefe gerissen zu werden droht, ist Vertrauen gefragt, das ihn an der Seite von Jesus übers Wasser laufen lässt. Und in einer düsteren Höhle bestellt ihn eine weitere weibliche, auch physiognomisch als Gerichtsfigur ausgewiesene Frauengestalt zum Richter über Gut und Böse. Und schließlich führt ihn Papa, nun vom knorrig-alten indigenen Schauspieler Graham Greene verkörpert, an den Ort, wo die Leiche seiner Tochter verscharrt liegt. Er soll, so die Aufforderung, dem Täter verzeihen.
Es ist ein kurzer Kampf, bei dem die Kamera auf die sich verkrampfenden Fäuste von Sam Worthington blickt, der als Darsteller so unter- wie überfordert wirkt, weil die Inszenierung die inneren Kämpfe und Auseinandersetzungen primär in farbenfrohes Dekor und fromme Sinnsprüche überführt. Die Theodizee, die Rechtfertigung Gottes angesichts allen Leids, wird ebenso knapp und bündig abgefertigt ("Wenn du wüsstest!") wie die Frage nach einem ewigen Leben oder die Heilung seelischer Traumata.
Der Film schwelgt in einem nichtssagenden Meer aus Schönheit und Güte, aber ohne Nachhall oder Widerstand. Die Wirklichkeit schrumpft zur austauschbaren Staffage eines religiösen Bewusstseins, das sich im suggestiven "Gott existiert"-Mantra euphorisch sediert. Die meisten Grundschüler in Deutschland sind da eigentlich weiter.