"Ganz klares Ja für Kreuze auf Tiergräbern"
Frage: Herr Rosenberger, ist die schon lange gestellte (Kinder-)Frage "Kommen Tiere in den Himmel" inzwischen theologisch beantwortet?
Rosenberger: Wenn man die päpstliche Enzyklika "Laudato si" von 2015 hernimmt, würde ich sagen: Ja, und sie ist mit einem "Ja" beantwortet. Eine Enzyklika ist zwar kein unfehlbares Dokument, hat aber einen hohen Rang im Sinne der kirchlichen Lehre. Papst Franziskus macht klar, was schon im Römerbrief von Paulus drinsteckt, wo es heißt, dass die gesamte Schöpfung seufzt und in Geburtswehen liegt, er aber überzeugt ist, dass die ganze Schöpfung zur Herrlichkeit und Freiheit der Kinder Gottes berufen ist. Das hatte man lange vergessen und verdrängt, weil Augustinus sagte, dass nur Menschen in den Himmel kommen können, weil sie Vernunft haben und Tiere nicht. Er hat die Tiere auch nicht in die Hölle gesteckt, sondern gesagt, dass sie kein Leben nach dem Tod haben, weil sie keine Vernunftseele haben.
Frage: Hat Augustinus sich da also geirrt?
Rosenberger: Das war zwar im Sinne der griechischen Philosophie Platons folgerichtig, aber eine deutliche Abweichung von dem, was die Bibel sagt. So etwas steht nicht in der Heiligen Schrift und entspricht auch nicht dem christlichen Glauben. Paulus argumentiert von der Liebe und Treue Gottes her: Wenn wir an einen treuen Gott glauben, dann muss die Treue über den Tod hinaus Bedeutung haben und dann können wir uns gar nichts anderes vorstellen, als dass im Himmel die Tiere sind. Der Papst greift das in der Enzyklika auf und schildert am Ende eine Art Wallfahrt der Menschen gemeinsam mit den Tieren zum Himmel. Es heißt dort, dass "jedes Geschöpf in leuchtender Verklärung" seinen Platz im Himmel einnehmen wird und wir uns gegenseitig mit unseren Gaben beschenken werden.
Frage: Die Nachfrage nach Tierbestattungen steigt im deutschsprachigen Raum deutlich an. Wie soll die Kirche darauf reagieren?
Rosenberger: Dieser Anstieg ist ein "Zeichen der Zeit": Menschen schätzen ihre Haustiere, kümmern sich intensiv um sie und möchten einem verstorbenen Tier ein würdiges Gedenken geben. Die Kirche sollte über den Schatten der Tradition springen und anerkennen, dass die Menschen da ein wichtiges Bedürfnis haben, das auch ihre Liebe zur Schöpfung ausdrückt. Warum sollte die Kirche da nicht Unterstützung und Beistand geben?
Frage: Soll es auch eine rituelle Form für die Bestattungen von Tieren geben?
Rosenberger: Ja, denn wenn wir uns die klassische Begräbnisliturgie der Kirche ansehen, kommt da nur Weniges vor, was nicht für ein Tier gelten könnte. Wenn wir etwa Erde auf den Sarg werfen, machen wir deutlich "Wir sind von der Erde genommen, wir kehren zur Erde zurück", aber wir hoffen, dass Gott uns ein neues Leben schenken wird. Das gilt auch für das Tier, das zur Erde zurückkehrt und die Verheißung auf Erlösung hat. Etwas schwieriger ist das Besprengen mit Weihwasser, weil in den Texten zu dieser Handlung ausdrücklich an die Taufe erinnert wird. Ein Satz wie "Gott vollende, was er in der Taufe an dir begonnen hat" geht natürlich bei einem Tierbegräbnis nicht. Aber das Symbol des Wassers können wir übernehmen, denn damit besprengen wir lebendige Tiere auch alljährlich bei Tiersegnungen, zum Beispiel auf dem Petersplatz. Das Weihwasser kann zwar für die Taufe stehen, ist aber auch ein vielfältig einsetzbares Zeichen für den Segen Gottes, den wir erbitten.
Frage: Wie stehen Sie zu Kreuzen als Symbol auf einem Tiergrab?
Rosenberger: Dazu sage ich ganz klar ja. Christus stirbt mit und für alle Geschöpfe und wird alle Geschöpfe durch seinen Kreuzestod zu einem neuen Leben erlösen. Wenn wir das bedenken, können wir ganz entspannt ein Kreuz über einem Tiergrab aufrichten. Bildlich dargestellt wird diese Hoffnung etwa auf dem berühmten Mosaik aus dem Jahr 1100 in der römischen Basilika San Clemente: Es zeigt das Kreuz Christi und um es herum einen großen Lebensbaum, der aus dem das Kreuz herauswächst, mit vielen Land- und Wassertieren sowie Vögeln.
Frage: Bei solchen Fragen denken wir nur an unsere Haustiere und lassen Millionen der sogenannten Nutztiere außen vor. Braucht es mit Blick auf die Massentierhaltung ein Umdenken bei uns?
Rosenberger: Absolut. So, wie wir die Nutztiere in den letzten 150 Jahren zunehmend behandeln wird das immer ungerechter gegenüber dem Tier. Das Tier hat vor Gott einen Eigenwert und wir müssen es gerecht behandeln. Das heißt nicht, es genauso zu behandeln wie den Mitmenschen, sondern die Bedürfnisse der Tiere zu berücksichtigen und ihnen Raum zu geben. In 90 Prozent der Fälle erreichen wir das Ziel einer gerechten Behandlung in keiner Weise. Die Intensivtierhaltung, die sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, ist der systematische Versuch, das Maximum an Gewinn für den Menschen herauszuholen und ein Minimum an Aufwand für das Tier hineinzustecken. Da müssen wir zu einer ganz anderen Weise des Umgangs mit dem Tier kommen.
Frage: Wie sollten sich Menschen ernähren, die dem christlichen Schöpfungsauftrag gerecht werden wollen?
Rosenberger: Ich bin kein Verfechter eines radikalen Vegetarismus oder eines Veganismus, den alle leben müssen. Es kann gut sein, wenn eine Gruppe in der Gesellschaft oder auch in der Kirche vegetarisch oder vegan lebt. Ich würde mir wünschen, dass wir als Kirche so eine Lebensweise wieder mehr wertschätzen, wie wir es in den ersten Jahrhunderten des Christentums getan haben.
Frage: Aber ist vegetarische Ernährung nicht geboten, wenn Gott in der Schöpfungsgeschichte dem Menschen nur die Pflanzen und die Früchte Bäume als Nahrung übergibt?
Rosenberger: Es ist richtig und ganz klar, dass es in Genesis 1,29 nur um vegetarische Ernährung geht. Aber wir müssen Genesis 1 immer als Einheit mit Genesis 9 lesen, dem Bund Gottes mit Noah. Dort schreibt derselbe Autor, dass dem Menschen der Fleischverzehr erlaubt wird – aber nur in Maßen. Die Bibel sagt, dass der Idealfall wäre, wenn wir keine Tiere töten müssten, um uns zu ernähren. Aber wir leben in keiner idealen Welt und deswegen wird der Tierverzehr mit Einschränkungen erlaubt, aber mit dem Ziel vor Augen, dass wir die Gewalt gegen Tiere immer mehr reduzieren. Ich finde es schön, dass die Bibel es nicht komplett erlaubt oder verbietet, sondern uns eine Richtung vorgibt, wohin der Weg gehen soll. Wenn in der Kirchengeschichte immer kleine Gruppen mit Blick auf den Paradieszustand nur von Pflanzen gelebt haben, wollten sie den anderen Menschen zeigen, in welche Richtung unser Schöpfungsauftrag geht.
Frage: Was bedeutet das für die Fleischesser unter uns?
Rosenberger: Ich wünsche mir, dass der Fleischkonsum massiv reduziert wird. Gut wäre es, auf etwa ein Viertel von dem zu kommen, was wir heute in Deutschland verzehren, also von netto 60 Kilogramm Fleischverzehr pro Kopf im Jahr auf 15 Kilogramm. Interessanterweise ist das auch das, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung aus gesundheitlichen Aspekten heraus empfiehlt – das wäre also nicht nur für den Tierschutz sinnvoll. Zugleich müssen wir dann auch bereit sein, etwa drei- bis viermal soviel für das Fleisch zu zahlen, denn das Geld braucht der Tierhalter, um den Tieren eine gute Haltung bieten zu können.
Frage: Auf was können die Verbraucher heute schon achten? Ist Weidemilch noch erlaubt oder nur noch Bio?
Rosenberger: Generell muss man zwar sagen, dass die Standards in der ökologischen Landwirtschaft schon besser sind als in der konventionellen, aber sie sind noch lange nicht ausreichend. Wenn wir beim Konsum von Fleisch und Milch Richtung Weidehaltung gehen, sind wir schon einen Schritt weiter. Aber ich würde mir noch weitere Schritte wünschen. Denn auch beim Bio-Landbau ist durch die Konkurrenz des absolut billig produzierten konventionellen Fleisches der Spielraum nicht sehr groß, dem Tier bessere Bedingungen zu bieten. Im Schnitt bekommt jedes Tier eineinhalb Mal soviel Fläche, aber auch das sind noch relativ beengte Verhältnisse. Aber Bio-Bauern können erst dann für mehr Platz sorgen, wenn die Verbraucher bereit sind, mehr zu zahlen. Momentan kosten Bio-Tierprodukte rund 20 bis 30 Prozent mehr als Konventionelle und man kann von einem Landwirt nicht erwarten, dass er seine Landwirtschaft um des Tierwohls willen ruiniert.
Frage: Welche Schritte kann die Kirche gehen?
Rosenberger: Es gibt bereits Personen in der Kirche, die das Thema auf mehreren Ebenen ansprechen. So hat sich jüngst Erzbischof Ludwig Schick für einen reduzierten Fleischkonsum ausgesprochen. Außerdem sprechen es die Umweltreferenten von immer mehr Bistümern an und versuchen ein Umdenken in kirchlichen Küchen: in Bildungshäusern, Krankenhaus-Kantinen sowie an Schulen und Seminaren. Diesen Einrichtungen kommt die Schlüsselrolle zu. Sie sollten verstärkt an bestimmten Wochentagen nur vegetarische Gerichte anbieten und an den anderen immer neben dem Fleisch- oder Fischgericht ein vegetarisches Essen zur Auswahl haben. Diese Ausrichtung kann den Menschen vermitteln, dass ein vegetarisches Gericht kein schlechteres Gericht ist, sondern dass man davon sehr gut leben und es Freude am Essen bereiten kann. Die Katholische Akademie in Bayern wurde wie auch drei weitere kirchliche Bildungshäuser für so ein Projekt bereits mit dem Preis "Tierschutz auf dem Teller" der Schweisfurth-Stiftung ausgezeichnet – solche Zeichen wirken also in die Welt hinein und werden geschätzt.