Geisterfüllt an jedem Tag
Im Zentrum steht für die Pfingstler der Heilige Geist. Nach biblischem Verständnis kam er am 50. Tag nach Ostern auf die Jünger und Apostel herab und erfüllte sie. Das Wort Pfingsten leitet sich ab von "Pentekoste", dem griechischen Begriff für "fünfzig". Deshalb wird Pfingsten 50 Tage nach Ostern gefeiert. Die Bibel versteht den Heiligen Geist als schöpferische Macht allen Lebens; er wurde in die Welt gesandt, um Person, Wort und Werk Jesu Christi lebendig zu erhalten.
Für die Pfingstkirchen hat diese Lebendigkeit des Heiligen Geistes eine zentrale Bedeutung. "Der Geist weht, wo er will", heißt es im Johannesevangelium (Joh 3,8) - ein Gedanke, der ihnen sehr nahe ist. Denn anders als den traditionellen Kirchen, die die Lehrmeinung über das persönliche Erleben stellen, ist Anhängern der Pfingstkirchen gerade diese eigene Erfahrung des in ihnen wirkenden Heiligen Geistes wichtig. Dadurch entsteht eine größere Nähe zur Lebenswirklichkeit der Menschen - ein Ansatz, der spirituell Suchende offenbar anspricht.
Da ist zum einen die sogenannte Geisttaufe. Sie wird als eine Art persönliche Pfingsterfahrung, als Erfülltwerden mit der Kraft des Heiligen Geistes gedeutet, aus der eine vertiefte Beziehung zu Christus sowie Klarheit über die eigene Berufung hervorgehen sollen. Aus Sicht der katholischen Kirche widerspricht eine zusätzliche Taufe der sakramentalen Taufe. Auch die "Zungenrede" - also ekstatische Äußerungen - und Heilungsgebete sind typisch für Pfingstkirchen. Die großen christlichen Konfessionen tun sich vor allem schwer mit den "Zungenreden", der Geisttaufe, der teilweisen Ablehnung der Trinität und dem Versprechen von Heilungen: Blinde werden sehend, Taube hören, Depressionen verschwinden und vieles mehr.
Die Volkskirchen gingen den Pfingstkirchen und ihren zahllosen Untergruppierungen deshalb lange aus dem Weg. Das hat sich geändert. Die katholische Kirche hat 1971 offizielle Gespräche aufgenommen. Auch der Ökumenische Rat der Kirchen pflegt mit dem weniger radikalen Flügel dieser Bewegung Gespräche und sperrt sich nicht gegen die Aufnahme einiger pfingstlerischer Gemeinden.
Als erster Papst hat Franziskus im Sommer 2014 eine Pfingstgemeinde besucht und dabei evangelikale Christen und Pfingstkirchen um Vergebung für Übergriffe und Verunglimpfungen durch Katholiken gebeten. Auch wenn der Vatikan das Treffen im italienischen Caserta als "rein privat" bezeichnete - der Papst aus Lateinamerika setzte damit ein Zeichen der Annäherung.
Pfingstler bereiten der katholischen Kirche große Probleme
Zugleich bereiten die Pfingstler auf der südlichen Halbkugel der katholischen Kirche große Probleme, schießen sie doch wie Pilze aus dem Boden. So sind in Brasilien nur noch 65 Prozent der Menschen katholisch - vor wenigen Jahrzehnten waren es noch 90 Prozent. Nicht zuletzt in den Armenvierteln haben die Pfingstkirchen großen Zulauf, bieten den Notleidenden oft auch materielle und soziale Unterstützung an.
Auch der massive Einsatz moderner Kommunikationsmittel sowie die Präsenz an wichtigen Stellen in Politik, Showbusiness und Sport kennzeichnet Pfingstkirchen. Einige Gruppierungen präsentieren sich als "Wohlfühl-Kirchen"; sie bieten eine Religiosität für den modernen, beanspruchten Menschen und vermittelten das Gefühl, der Gottesdienst mache wieder fit für den Alltag.
Unser Kirchenjahr: Pfingsten
Pfingsten ist ein wichtiges und zugleich schwer zu fassendes Kirchenfest. So ganz anders als Weihnachten mit dem Kind in der Krippe, so ganz anders als Ostern, an dem das Licht die Nacht erhellt. An Pfingsten geht es um den Heiligen Geist.Längst haben auch die Volkskirchen in Deutschland erkannt, dass man die Pfingstbewegung nicht in die Ecke der Sekten drängen darf. Die katholische Kirche begegnet dem ökumenisch aufgeschlossenen Teil der Pfingstbewegung mit der Bereitschaft zum Dialog. In Deutschland besteht der Kontakt zu den Pfingstkirchen insbesondere über die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK).
Mit den neuen religiösen Bewegungen als Herausforderung für die katholische Kirche beschäftigte sich 2013 auch eine internationale Konferenz. In einem Resümee werden Bewegungen wie die Pfingstkirchen als "bedeutendes Phänomen der christlichen Moderne" bezeichnet, auf das die katholische Kirche "in vielerlei Hinsicht" reagieren müsse. Diese Bewegungen seien "primär als Anfrage und Herausforderung" zu verstehen, weniger "als eine Bedrohung, die man 'aus der Welt' schaffen muss".
Es gebe eine "nicht bestreitbare Legitimität dieser Bewegungen, die in mancher Hinsicht auf die 'Zeichen der Zeit' bessere Antworten anzubieten zu haben scheinen als die katholische Kirche", heißt es da. Vor allem eine stärkere Einbeziehung der Laien und ein "klares Nein zum Klerikalismus" sei wichtig, "um Kirche wieder näher zu den Menschen zu bringen und dabei die Menschen als gläubige und mündige Personen auch selbst gestalten zu lassen". Die neuen geistlichen Bewegungen hätten es geschafft, "ihr Glaubensverständnis als 'einfach', 'gut', 'wahr' und 'schön' erfahren zu lassen." Und fast schon ein wenig neidvoll heißt es: "Genauso sollte auch die katholische Kirche den Menschen den Glauben nahebringen."