Glauben als "Hintergrundmusik"
So jedenfalls erinnert sich Hillary Clinton in ihren Memoiren, die sie 2003 unter dem Titel "Living History" veröffentlichte, an die Momente nach dem Wahlsieg. Die Anekdote fasst zusammen, wie die frühere First Lady, Ex-Außenministerin unter Barack Obama und nun selbst zum zweiten Mal nach 2008 Präsidentschaftskandidatin, ihr spirituelles Leben versteht. "Mein Glaube ist in erster Linie etwas Persönliches", sagte die Methodistin Clinton einem Reporter der "New York Times". Sie habe stets versucht, "durch mein Tun ein Maß an Hingebung und Mitgefühl zu demonstrieren, das aus meinem Glauben fließt".
Als Präsidentschaftskandidatin im vielleicht gläubigsten Land der westlichen Welt wird die 67-Jährige nun kaum daran vorbeikommen, auch öffentlich über ihre Religion zu sprechen. Hillary tut das nur selten direkt. Zuletzt 2014 bei einem Treffen der "United Methodist Women's Assembly". Vor rund 7.000 Frauen erzählte sie damals, wie sie neben ihrer Großmutter Kirchenlieder sang, während diese ihr Zöpfe band.
Clintons Urahnen von Methodisten-Gründer getauft
In der Familie besteht ein gewisser Stolz, dass der Gründer der von der anglikanischen Kirche abgespaltenen methodistischen Bewegung, John Wesley (1703-1791), ihre Urahnen in Newcastle im Nordosten Englands getauft habe. Die Methodisten gehören heute zu den größten der an protestantischen Gemeinschaften so reichen USA.
Hillary wuchs in einer Familie auf, in der ihr Vater die Idee der Selbstverantwortung betonte, während ihre Mutter verstärkt Wert auf die Anteilnahme am Leben anderer legte. Die Familie gehörte der First United Methodist Church in der Park-Ridge-Siedlung in Chicago an. Hillary engagierte sich aktiv in der Jugendgruppe, im Bibelkreis und bei den Messdienern. In der Erntesaison hütete sie die Kinder von Einwanderern aus Lateinamerika, die auf den Feldern arbeiteten.
In dieser Zeit lernte Hillary den Jugendpfarrer Donald Jones kennen, der sie mit den Ideen Dietrich Bonhoeffers und Reinhold Niebuhrs vertraut machte und ihr die Vorstellung nahebrachte, dass Glaube im Einsatz für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte gelebt werden müsse. Er war es auch, der die damals 14-Jährige 1962 mit Martin Luther King bekannt machte. "Bis dahin war mir nur vage bewusst, dass in diesem Land eine soziale Revolution vonstattengeht", erinnert sich Clinton.
Clinton: Als Christin das Leid anderer lindern
Diese Erfahrungen prägten ihre Weltsicht: Sie gab ihre Mitgliedschaft bei den jungen Republikanern auf und engagierte sich an der Yale Law School für den "Children Defense Fund" der Kinderrechts-Aktivistin Marian Edelman. "Als Christin besteht meine Aufgabe darin, tätig zu werden, um das Leiden anderer zu lindern", beschrieb die First Lady nach ihrem Einzug ins Weiße Haus ihre Mission.
Konservative Katholiken halten Clinton vor, eine Unterstützerin der freien Entscheidung beim Thema Abtreibung zu sein und die Todesstrafe zu befürworten - was beides im Gegensatz zur katholischen Morallehre steht. Doch Hillary ist keine säkulare Fundamentalistin: 1994 nahm sie eine Herausforderung von Mutter Teresa aus Kalkutta an und half, ein Kinderheim in den USA aufzubauen, das Adoption als Alternative zu Abtreibung förderte. Dieser Pragmatismus dürfte sie vermutlich auch künftig begleiten - mit dem Thema Religion als "Hintergrundmusik", wie sie selbst es einmal bezeichnete. "Sie ist immer da. Sie ist etwas, über das man nicht nachdenken muss."
Von Thomas Spang (KNA)