Hat der Papst das wirklich nötig?
Pro: Lange überfälliges Signal
Tja, hat er es nun nötig oder hat er es nicht nötig? Muss eine Gruppe wirklich öffentlich ihre Solidarität zum Pontifex Maximus, zum Chef der Weltkirche bekunden? Zumal diese Gruppe – trotz beachtlich vieler Unterzeichner und Unterstützer in den ersten Tagen – ja doch nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus der Gesamtheit des Kirchenvolkes darstellt?
Ich formuliere es einmal so: Auch ohne die Initiative "Pro Pope Francis" würde Papst Franziskus seinen Weg unbeirrt weitergehen; sein Pontifikat ist trotz mancher kritischer Stimme mitnichten in Gefahr. Aber: Die Initiative setzt ein außerordentlich wichtiges Zeichen. Nötig hat dieses Zeichen vielleicht weniger der Papst selber, bedeutsam ist vor allem die Signalwirkung nach außen.
Der Theologe Paul Zulehner, der die Initiative mitinitiiert hat, brachte es im katholisch.de-Interview auf den Punkt: Die große Mehrheit des Kirchenvolkes, die dem Pontifikat von Franziskus alles andere als kritisch gegenübersteht, schweigt. Mediale Aufmerksamkeit genossen bislang deshalb allein die kleinen Grüppchen innerhalb der Kirche, die die Amtsführung des Papstes immer wieder lauthals an den Pranger stellen.
Und es sind nicht allein der berühmt-berüchtigte "Dubia-Brief", die immer gleichen Wortmeldungen eines Kardinal Raymond Leo Burke oder zuletzt die sogenannte "kindliche" Zurechtweisung. Schaut man sich auf gewissen Internetportalen um, wird dort in den Foren fleißig gegen den Papst gehetzt; ihm sogar abgesprochen, rechtmäßiger Pontifex zu sein. Was auffällt: Es sind immer die gleichen Stimmen.
Aber wenn diese Leute sich auf verschiedenen Plattformen ständig zu Wort melden, entsteht der Eindruck, es seien viele, die da gegen Franziskus sind. Ein Produkt der Digitalisierung: Jeder kann heute zu jeder Zeit im Internet seine Meinung kundtun. Und an sich ist das ja auch etwas Gutes. Es wäre nur schön, wenn sich künftig häufiger – und das betrifft nicht allein das Thema Papst Franziskus – die positiven Stimmen zu Wort melden würden.
Diese Stimmen bringt die Initiative "Pro Pope Francis" jetzt zu Gehör: "Seht her, wir stehen auf der Seite des Papstes und sprechen damit für die überwiegende Mehrheit der Katholiken." Und dieses Signal war schon lange überfällig.
Contra: Das Credo ist meine Petition
Ich brauche keine Unterschriftenaktion, um Papst Franziskus meiner Loyalität zu versichern. Unbedingt zum Nachfolger Petri zu stehen ist Katholizität. Dafür brauchen wir keine Memoranden, Petitionen oder Briefe. Katholiken haben schließlich seit Alters her eine starke Erklärung zum Papst: das Credo mit seinem Bekenntnis zur "una sancta", deren Leiter der Pontifex selbst ist.
Doch um diese Frage geht es bei den zahlreichen Unterschriftensammlungen der jüngeren Vergangenheit natürlich nicht. Ob nun kindliche Korrekturen oder Pro-Petitionen, sie erfüllen vor allem einem Zweck: die Gräben in der Kirche zu vertiefen. Unterstützer wie Gegner instrumentalisieren den Bischof von Rom. Kritiker bauen ihn als Rädelsführer des Verrats an der kirchlichen Lehre auf, während die Unterstützer ihn als Speerspitze im Kampf gegen die Ewiggestrigen sehen. Die plakative Zurschaustellung der persönlichen Beziehung zur Person des Papstes ist an die Stelle einer substanziellen Debatte über die Themen getreten, die Franziskus angestoßen hat. Das liegt auch an einer sonderbaren Mischung aus der Memoranden-Mentalität des nachkonziliaren Katholizismus und der reichweitenoptimierten Kommunikation der Netzmoderne. Fordern und Liken gehen Hand in Hand.
Unterschriftenaktionen an die Adresse des Papstes konterkarieren damit grundsätzlich ihr angebliches Motiv. Die lautstarken Kritiker greifen immer öfter zur Verzweiflungstaktik und versuchen unter dem Vorwand theologischer Argumente den Papst zu diskreditieren. Das ist durchsichtig und peinlich. Ähnlich sieht es jedoch bei den Franziskus-Fans aus, die den Papst über jedes sachliche Maß hinaus für dessen Agenda loben, die sie sich damit fröhlich zu Eigen machen. Sie verwechseln emotionales Lob mit stichhaltigen Argumenten.
"Cum Petro et sub Petro" (zu Deutsch: "mit und unter Petrus") zu stehen, ist eine Selbstverständlichkeit des Katholizismus. Per Unterschrift darf das nicht negiert und muss auch nicht besonders betont werden. Es reicht, sich an die Worte des Glaubensbekenntnisses zu erinnern: Wir glauben an eine Kirche, unter dem Papst. Und deshalb braucht die Kirche dringend substanzielle Debatten, um die immer weiter aufreißenden Gräben zu überbrücken. Diesen Aufruf unterzeichne ich gerne.