Hier wird "Christenverfolgung" zum Studienfach
Die Freie Theologische Hochschule Gießen (FTH) ist eine kleine Einrichtung mit nur 22 Dozenten und rund 130 Studierenden. Doch aktuell hat sie Großes vor: Zum kommenden Wintersemester startet an der staatlich anerkannten Einrichtung der erste Lehrstuhl Deutschlands, der die Einschränkung der Religionsfreiheit für Christen wissenschaftlich erforscht. "Stiftungsprofessur für Religionsfreiheit und die Erforschung der Christenverfolgung", so heißt der offizielle Titel.
"Christenverfolgung als Forschungsfeld ist akademisch bisher noch fast vollständig unbeackert", begründet Prof. Dr. Stephan Holthaus, der Rektor FTH, gegenüber katholisch.de den Schritt. Angesichts 100 bis 200 Millionen verfolgter Christen weltweit sei es höchste Zeit, das zu ändern. Besonders Muslime, die zum Christentum konvertierten, hätten in ihren Heimatländern zum Teil mit drastischen Verfolgungen zu rechnen hätten, so Holthaus. "Es setzten sich ja bereits mehrere Hilfswerke wie Kirche in Not oder Open Doors für verfolgte Christen ein, Politiker erheben öffentlich ihr Wort für Religionsfreiheit. Diese Arbeit wollen wir nun auf wissenschaftlicher Ebene ergänzen." Mit Open Doors etwa, das jährlich einen sogenannten "Weltverfolgungsindex" herausgibt, steht die FTH bereits in Kontakt und strebt auch im Rahmen der Professur eine Zusammenarbeit an.
Wer wird der erste Lehrstuhlinhaber?
Ein großes Geheimnis um den neuen Lehrstuhl wird zunächst jedoch noch nicht gelüftet: Wer der Inhaber sein wird, will die FTH erst in ein paar Wochen bekanntgeben. Holthaus verrät nur soviel: Es handele sich um einen profilierten, mit dem Thema vertrauten Experten, der international vernetzt sei. "Diese Kontakte wird er sicher auch für seine neue Aufgabe nutzen", ist sich der Hochschulrektor sicher. Zudem unterhält die FTH, die sich selbst im evangelikalen Raum verortet, ein Netzwerk mit ehemaligen Studierenden in 140 Ländern. Die Absolventen arbeiten dort in den unterschiedlichsten Bereichen — von der Entwicklungshilfe bis zum missionarischen Dienst.
Neben der Professur umfasst der Lehrstuhl zunächst eine Assistentenstelle mit 50 Prozent Arbeitszeit. Die Lehrveranstaltungen sind im Fachbereich Ethik angesiedelt und künftig für die Theologiestudierenden verpflichtend – sei es im Bachelor- oder im Masterstudiengang. Mindestens den gleichen Stellenwert hat die Forschung: Prof. Holthaus hofft, dass der neue Lehrstuhlinhaber rege publiziert. "Wir wollen nicht jemanden, der in seinem Elfenbeinturm sitzt und nach 10 Jahren ein 800-seitiges Kompendium veröffentlicht – sondern es geht darum, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und aufzuklären". Auch die Beratung von staatlichen Stellen könnte zu den Aufgaben der Stiftungsprofessur gehören, ebenso wie die Ausrichtung von Tagungen.
Lehrstuhl soll auch Christen sensibilisieren
Denn neben der Wissenschaft will die FTH mit dem Lehrstuhl, das Thema Christenverfolgung auch in der Öffentlichkeit stärker in den Fokus rücken: "Wir wollen den verfolgten Christen helfen, noch mehr ins Bewusstsein der Politik und der Bevölkerung zu kommen" heißt es im aktuellen Newsletter der FTH. Und noch ein Aspekt ist Holthaus wichtig: Der Lehrstuhl solle auch in das Christentum hinein wirken und aufklären: "Wenn in der Türkei keine Kirchen gebaut werden dürfen, darf daraus keinesfalls folgen, dass es Muslimen in Deutschland schwerer gemacht wird, Moscheen zu bauen".
Zur Aufklärungsarbeit könnte auch gehören, eine genauere Definition des Begriffs "Christenverfolgung" vorzulegen – auch um zu vermeiden, dass er instrumentalisiert wird. "Natürlich wird mit diesem Begriff auch Schindluder getrieben", weiß Holthaus. Umso wichtiger sei eine saubere, nachvollziehbare Definition "jenseits" von Emotionen.
Einen prominenten Fan hat der Lehrstuhl schon, bevor er überhaupt an den Start geht: Für Volker Kauder, den Fraktionsvorsitzende von CDU und CSU, ist die Religionsfreiheit das Menschenrecht, das derzeit am meisten in Gefahr ist. Angesichts dieser Lage sei die Einrichtung der Stiftungsprofessur eine "hervorragende Nachricht", schreibt er in einem Gastkommentar für den Newsletter der FTH.