Hilfe zur Flüchtlingshilfe
Frage: Die Aktion "Neue Nachbarn" ist "Hilfe zur Flüchtlingshilfe", also ein Projekt auf der Metaebene – warum steckt das Erzbistum Köln das Geld nicht in ein eigenes Flüchtlingsprojekt?
Hensel: Es gibt in der Arbeit mit Flüchtlingen schon viel Initiative und Bereitschaft vor Ort. Deswegen war es nicht unser Anliegen, überall Neues zu schaffen, sondern auch das, was schon da ist und sich ausweiten will, zu koordinieren und zu stärken. Wir eine Art Unterstützungssystem für schon vorhandenes und hinzukommendes Engagement anvisiert.
Frage: Wie unterstützt die Aktion die Flüchtlingsprojekte konkret?
Hensel: Sie bekommen Beratung, können Finanzhilfen beantragen und Materialien nutzen, die wir zur Verfügung stellen. Nehmen wir mal an, Sie wollen in Ihrer Gemeinde Sprachunterricht anbieten: Dann stellen wir Lehrmaterialien zur Verfügung oder wir vermitteln Referenten. All das lässt sich über die Aktion Neue Nachbarn arrangieren, so dass die einzelnen Gemeinden nicht für sehr ähnliche Projekte immer wieder neue Konzepte erarbeiten müssen.
Auf der Flucht
Ob Naturkatastrophen, Armut oder Terror: Täglich verlassen Menschen ihre Heimat, um anderswo ein neues, ein besseres Leben zu beginnen. Die Flüchtlinge kommen auch nach Deutschland. Das bedeutet eine große Herausforderung für Politik, Gesellschaft und Kirche.Frage: Welche Kriterien muss ein Projekt erfüllen, um unterstützt zu werden?
Hensel: Es sollte erkennbar mit einer Pfarrgemeinde verknüpft sein. Der Pfarrer muss mit hinter dem Antrag stehen und dies auch durch seine Unterschrift bezeugen. Und wenn in der Caritas-Kasse Geld vorhanden ist, dann sollte die Gemeinde selbst etwas beisteuern. Ist der Antrag erst einmal bewilligt, geht alles ganz schnell: Aus einem Soforthilfefonds überweisen wir das Geld binnen zehn Tagen an die Gemeinden. Wir haben schon über 250 Anträge bearbeitet, meistens handelt es sich um kleinere Projekte mit Summen um rund 3.000 Euro. Außerdem bieten wir Schulungen für Ehrenamtliche an, die sehr gut angenommen werden. Allein im ersten Halbjahr haben wir 160 Sprach- und Qualifizierungskurse angeboten, im zweiten Halbjahr sind nochmal 225 aufgesetzt. Das ist eine Größenordnung, mit der wir einiges anschieben können.
Frage: Lehnen Sie auch manche Projekte ab?
Hensel: Ja, es gibt ein paar Bewilligungskriterien. Haus- und Wohnungsrenovierungen oder Anwaltskosten übernehmen wir beispielsweise nicht, weil dies enorme Mittel binden und damit sehr schnell die Hilfemöglichkeiten beschränken würde.
Frage: Wie schwer ist es, die einzelnen Initiativen zur Flüchtlingshilfe zu koordinieren? Herrscht da nicht ein riesiges Durcheinander?
Hensel: Da zeigt sich tatsächlich zum Teil wunderbare Himmelsstürmerei. Das kann vom kreativen Miteinander schon mal zum Durcheinander kippen. Damit nicht alles unverbunden nebeneinander läuft, haben wir in allen Stadt- und Kreisdekanaten Koordinationsstellen eingerichtet, die die Aktivitäten miteinander vernetzen. Aber dennoch: Die Flüchtlingshilfe ist zurzeit davon geprägt, dass vieles auch plötzlich und unabsehbar ist. Da bleibt das eine oder andere ganz schön wild. Aber genau an diesem Punkten setzen wir mit der Aktion Neue Nachbarn an. Wir helfen Reibungsverluste zu vermeiden.
Frage: Welche Rolle spielen das Internet und die Sozialen Netzwerke bei der Aktion?
Hensel: Unsere Homepage ist eine gefragte Plattform für Informationen rund um die Flüchtlingshilfe im Erzbistum. Wir haben mittlerweile fast 1.000 Zugriffe am Tag sogar aus ganz Deutschland. Das Neue-Nachbarn-Netzwerk, unsere Facebook-Gruppe, hat schon über 3.000 Mitglieder. Da tauschen sich die Leute ad hoc aus: Was wird noch gebraucht an Sachspenden? Welche Aktionen macht ihr? Was können wir tun? Das ist eine lebendige Online-Gemeinschaft.
Frage: Die Aktion läuft jetzt ein knappes Jahr. Wie lautet die erste Zwischenbilanz?
Hensel: Ganz schlicht: Weitermachen! Erst neulich sind allein in einer Gemeinde in Köln-Nippes rund 300 Leute zu einem Informationsabend zur Flüchtlingshilfe gekommen. Das Beispiel zeigt: Es gibt sehr viel Bereitschaft, die gilt es weiterhin zu ermutigen, zu unterstützen und zu begleiten. Schließlich haben wir es ja nicht mit einer rasch verebbenden Flüchtlingswelle zu tun, sondern mit einem dauerhafteren Phänomen.
Frage: Vor welchen Herausforderungen steht die Aktion Neue Nachbarn?
Hensel: Wir kommen gerade in eine neue Phase: Das erste Willkommen war geprägt von gemeinsamen Aktivitäten, davon Unterbringungsmöglichkeiten zu suchen, Gemeindenachmittage zu organisieren. Inzwischen beschäftigen die Flüchtlinge auch ganz andere Themen: Wie ist das mit meiner Ausbildung, wo kann ich arbeiten, wer betreut dann meine Kinder? Beratungs- und Betreuungsdienste zur Integration der Flüchtlinge werden immer wichtiger. Zudem ebbt in der öffentlichen Wahrnehmung die erste Euphorie ab und es kommen immer mehr mahnende und warnende Stimmen hoch. Da gibt es auch Situationen, die für die Ehrenamtlichen schwer sind und in denen sie Reflexion und Begleitung brauchen.
Frage: Haben Sie auch Sie persönlich "Neue Nachbarn", denen Sie helfen?
Hensel: Ich bin bei diesem Thema ja beruflich sehr stark eingebunden und habe schon von daher eine Menge Kontakte. Und auch in unsere Siedlung gibt es eine Flüchtlingsunterkunft, die ich schon besucht habe. Das Thema berührt mich also beruflich wie privat. Im Augenblick drehen sich die Gespräche ja vermehrt darum, wie unsere Gesellschaft und jeder Einzelne umgehen kann mit einer Situation, deren Ausmaß derzeit niemand absehen kann. Es ist keine Lösung, die Besorgnisse zu ignorieren und zu hoffen, dass es bald vorüber sein möge. Wir müssen aktiv damit umgehen und können das als Christen auch ohne Furcht tun.