Der Missbrauchsskandal brachte ihn 2002 zu Fall

Hoffnungsträger und Hassfigur - Kardinal Law ist tot

Veröffentlicht am 20.12.2017 um 09:40 Uhr – Lesedauer: 
Porträt

Vatikanstadt/Boston ‐ Der einstige Bostoner Erzbischof galt lange als kirchenpolitisches Schwergewicht, verhandelte im Oval Office wie in Kuba. Doch der Vorwurf, er habe pädophile Priester gedeckt, wog zu schwer. Ein Porträt.

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Einst zählte er zu den profiliertesten Kirchenmännern in den USA - dann stürzte Kardinal Bernard Francis Law infolge des Missbrauchsskandals und verbrachte seine restlichen Jahre in Rom. Dort ist der frühere Erzbischof von Boston in der Nacht zum Mittwoch nach langer Krankheit mit 86 Jahren gestorben, wie der Vatikan mitteilte.

Zuletzt war es ruhig um ihn - abgesehen davon, dass seine Geschichte mit Vorbild war für den 2016 mit zwei Oscars prämierten Hollywoodfilm "Spotlight", der die Aufdeckung des Missbrauchsskandals durch die Reporter des "Boston Globe" als Thriller inszenierte.

Eines der größten und traditionsreichsten Bistümer der USA

Von 1984 bis 2002 leitete Law das Erzbistum Boston, eines der größten und traditionsreichsten in den USA, 1985 wurde er zum Kardinal. In der nationalen Bischofskonferenz war der polyglotte Kirchenmann mit dem Auftreten des gebildeten Ostküsten-Grandseigneurs eine Vielzweckwaffe.

Er leitete die Kommission für ökumenische und interreligiöse Beziehungen, er managte die Eingliederung übergetretener verheirateter Priester aus der anglikanischen Episkopalkirche in die katholische Kirche. Einen Namen machte er sich als energische Stimme für soziale Gerechtigkeit und im Kampf gegen Rassendiskriminierung. Aber auch als autoritärer Verteidiger der katholischen Doktrin, wenn es etwa um Abtreibungsgesetze und Fragen der Kirchenhierarchie ging.

Bild: ©Paramount

Szene aus dem Film "Spotlight": Das Journalistenteam der "Boston Globe".

Und er knüpfte - dem staatlichen Embargo trotzend - die kühnen Kontakte der US-Bischofskonferenz zum kommunistischen Kuba und verhandelte persönlich stundenlang mit Diktator Fidel Castro über Menschenrechtsfragen. Immer wieder besprach er sich auch persönlich mit den US-Präsidenten Ronald Reagan und George Bush, mit dem ihn laut "New York Times" eine besonders enge Beziehung verband.

Umso tiefer war Laws Absturz. In den 1990er Jahren deckte die Regionalzeitung "Boston Globe" Fälle sexuellen Missbrauchs von Priestern an Minderjährigen auf - und enthüllte, wie Law mit diesen Fällen umgegangen war. Die Reporter des "Globe" gingen diesen Fällen mit einer bis dahin nicht gekannten Hartnäckigkeit nach.

Pädophiler Priester "geheilt" und versetzt

Dabei stießen sie auch auf den Bostoner Priester John Geoghan, einen besonders üblen pädosexuellen Täter. Mehr als 100 Fälle wurden ihm zur Last gelegt, fünf Mal wurde er wegen seiner schweren Vergehen in psychiatrische Behandlung geschickt und danach "geheilt" in eine andere Pfarrei versetzt. Damals war das oft die übliche Methode, mit solchen Menschen umzugehen - heute weiß man, dass es grob fahrlässig war.

Je mehr die Öffentlichkeit über diesen und andere klerikale Täter erfuhr, umso schwieriger wurde es für Law, seine frühere Milde gegen solche Priester zu rechtfertigen. Opfer-Organisationen und Medien machten den Bostoner Kardinal bald zu ihrer meistgehassten Zielscheibe, wenn es darum ging, das institutionelle Fehlverhalten der katholischen Kirche zu brandmarken.

Bei Sitzungen der Bischofskonferenz versammelten sich Demonstranten, um mit Sprechchören und Transparenten Laws Abgang zu fordern. Sogar Morddrohungen soll der Kardinal erhalten haben. Als der Druck immer stärker wurde, reichte er, inzwischen ein gebrochener Mann, seinen Rücktritt vom Amt des Bostoner Erzbischofs ein, den Papst Johannes Paul II. am 13. Dezember 2002 annahm.

Kardinal Bernard Francis Law
Bild: ©icture alliance / AP Photo/Ken Lambert

Kardinal Bernard Francis Law war Erzbischof in Boston. Im Zuge des Missbrauchsskandal in der Bostoner Kirche trat er 2002 zurück.

Dass er die Fehler seiner Amtsführung öffentlich bereute, bewirkte wenig. Medien und Justiz schonten ihn nicht, einige Male wurde er als Zeuge vor Gericht zitiert, und in seinem einstigen Erzbistum, das durch Entschädigungsklagen an den Rand des Ruins geriet, wurde er mehr und mehr zur Unperson - und das obwohl er niemals, kirchlich oder bürgerlich, wegen eines Gesetzesbruchs verurteilt wurde.

Johannes Paul II., der die früheren Verdienste des Kardinals kannte und schätzte, machte ihn schließlich im Mai 2004 zum Erzpriester von Santa Maria Maggiore in Rom und gab ihm damit eine zweite Chance. Und auch in der Nationalkirche der Amerikaner in Rom, Santa Susanna, seit 1985 seine Titelkirche als Kardinal, blieb Law eine feste Größe.

Als dubiose Figur im Film "Spotlight"

Verglichen mit der Stellung, die er einst im amerikanischen Episkopat hatte, waren diese Aufgaben indes winzig. In der Weltkirche trat er nicht mehr groß in Erscheinung. Dafür aber als dubiose Figur im Kinofilm "Spotlight".

Ob seine Fehler so gravierend waren, wie seine Kritiker behaupten? Das wolle und könne er nicht entscheiden, meinte er einmal kurz vor seinem 80. Geburtstag im kleinen Kreis. Das zu beurteilen, überlasse er in seinem Alter getrost Gott alleine.

Von Ludwig Ring-Eifel und Christoph Schmidt (KNA)