"Ich las die Bergpredigt und war eine andere"
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Teresa Zukic (52) war eine atheistische Leistungssportlerin. Heute ist sie Schwester Teresa, studierte Religionspädagogin, Kindermusical-Komponistin und Vortragsreisende. Wie es vom Sportinternat über die Taufe und Ordenseintritt zur Gründung einer eigenen Gemeinschaft im Erzbistum Bamberg kam, erzählt sie im Interview. Und, wie ihr Sportsgeist ihr weiterhin durch den Alltag hilft.
Frage: Was ist Ihr Lebenselixier?
Schwester Teresa Zukic: Mein Humor. Ich kann herrlich über mich lachen. Mein Humor hilft mir bei vielem. Wenn ich mit Menschen zu tun habe, die Sorgen haben oder wenn andere neidisch auf mich sind.
Frage: Kommt das öfters vor?
Sr. Teresa: Ja, das habe ich früher schon erlebt. Als wir die Kleine Kommunität der Geschwister Jesu in Pegnitz gegründet haben, war der Anfang schwer. Viele haben nicht verstanden, was wir da vorhatten. Dabei wollten wir unserem Pfarrer vor Ort unterstützen. Wir Gemeindereferentinnen mit ihm als kleine Gemeinschaft. Der Pfarrer hatte plötzlich eine Familie, wie es sich doch viele Seelsorger vor Ort auch wünschen. Einige befürchteten, jetzt wird er keine Zeit mehr für die Gemeinde haben. Doch es war genau umgekehrt. Sehr schnell bemerkten sie, wie unser Pfarrer in dieser Gemeinschaft aufgeblüht ist und die Gemeinde gewachsen ist. Wir haben Familiengottesdienste, Kindermusicals und Kirchenfestivals aus dem Boden gestemmt. Das war ein voller Erfolg. Und wenn man Erfolg hat, dann kommt Neid dazu. Das musste ich leider auch erfahren. Aber das waren Startschwierigkeiten. Heute leben wir, zwei Schwestern und der Pfarrer, als Gemeinschaft. Aber zur Kleinen Kommunität gehört auch ein großer Freundeskreis und viele Fans, die uns bei unserer Arbeit unterstützen.
Frage: Woher haben Sie die Kraft genommen, das alles so aufzubauen?
Sr. Teresa: Ganz einfach, meine Kraft kommt aus dem regelmäßigem Gebet und aus der Bibel. Das war schon bei meiner Bekehrung so.
Frage: Erzählen Sie mehr…
Sr. Teresa: Ich war bis 18 in einem Sportinternat und rund um die Uhr auf Leistung getrimmt. Schließlich war ich hessische Meisterin am Schwebebalken und badische Meisterin im Mehrkampf. Je mehr ich trainierte, desto mehr Erfolge hatte ich und desto mehr wurde ich gelobt. Doch das reichte mir irgendwann nicht mehr. Ich war nicht getauft und kannte Gott nicht. Eine Schulfreundin hatte mir vor dem Abitur ein paar Bücher überlassen. Ganz oben auf dem Stapel lag eine Bibel. In einer Nacht, es war die Nacht vor dem Fest Kreuzerhöhung im Jahr 1983, habe ich nach dem Stapel gegriffen. Ich schlug die Bibel auf und was ich da gelesen habe, lässt mich bis heute nicht mehr los. Ich kann mich noch gut erinnern an den Satz aus der Bergpredigt: "Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen." Im Bruchteil von Sekunden war ich eine andere.
Frage: Was hat Ihre Familie dazu gesagt?
Sr. Teresa: Meine Eltern fragten mich, ob ich bei einer Sekte wäre und haben gesagt, erst mal abwarten. In Wirklichkeit haben sie gehofft, dass ich wieder zur Besinnung komme. Ich hatte bis dahin nie gebetet oder in der Bibel gelesen. Dazu kam, dass ich mit dem Sport aufgehört habe. Von einem Tag auf den anderen. Das war natürlich ein Drama für alle Beteiligten. Doch ich war mir damals schon sicher, das ist der richtige Weg für mich. Ich wollte ein neues Leben mit Jesus beginnen. Ich habe mich dann taufen lassen und später wurde ich Ordensschwester bei den Vinzentinerinnen in Fulda.
Frage: Eine krasse Kehrtwende. Was war danach anders?
Sr. Teresa: Ich fühlte mich unendlich geliebt und getragen von Gott. Jetzt musste ich nichts mehr dafür tun oder leisten, um geliebt zu sein. Ich war schon geliebt, ohne dass ich es verdient hatte. Keine Hürden mehr, die ich überwinden musste und keine Fragen mehr, warum ich das alles tue. Nun hatte ich endlich Zeit für mich und konnte mir über die wichtigsten Dinge in meinem Leben Gedanken machen.
Frage: Haben Sie Ihre Entscheidung jemals bereut?
Sr. Teresa: Ich habe es niemals bereut. Aber in dem Jahr nach meiner Taufe war ich im Sozialen Praktikum in einem Familien- und Freizeitheim. Im Fernsehen liefen gerade die Leichtathletik-Weltmeisterschaften. Ich habe immer wieder zwischen dem Fernsehgerät und dem Kreuz hin- und hergeschaut und mich gefragt: Und das hast du alles aufgegeben?
Frage: Und was war Ihre Antwort darauf?
Sr. Teresa: Das ist jetzt abgeschlossen, ich habe genug Sport gemacht. Gott hat mir so viele Talente geschenkt. Zum Beispiel wusste ich bis dahin nicht, dass ich wunderbar malen und kochen kann, dass ich eine Begabung für Musik habe und gut mit Kindern umgehen kann. Hätte ich die eine Tür damals nicht zu gemacht, hätte Gott nicht so viele neue Türen öffnen können, und ich hätte viele Talente, die mir gegeben waren, nie entdeckt.
Frage: Haben Sie nie irgendetwas vermisst?
Schwester Teresa: Nein, ich vermisse nichts. Klar als junge Erwachsene träumte ich von einer Familie mit fünf Kindern, einer richtigen Basketballmannschaft! Inzwischen durfte ich für viele Kinder wie eine Mutter sein. Gott hat mir so viele Türen geöffnet und Gaben geschenkt. Ich halte heute rund 180 Vorträge im Jahr, ob bei christlichen Gemeinden oder bei Unternehmen. Ich spiele Gitarre und E-Gitarre, habe Musicals komponiert. Musik ist mein Leben. Vor allem die Arbeit mit jungen Menschen liegt mir sehr am Herzen. Als Sportlerin war mein Leben ein lustiges Lied. Heute als Christin ist es eine wunderbare Sinfonie.
Frage: Sie schreiben in Ihrem aktuellen Buch mit dem Titel "Zärtlichkeit Gottes" auch von verpassten Zärtlichkeiten. Was meinen Sie damit?
Sr. Teresa: Ich habe oft erlebt, dass Menschen plötzlich aus dem Leben gerissen wurden und jemand bereut, nichts mehr Liebevolles beim Abschied gesagt zu haben. Diese verpasste Gelegenheit kommt nie mehr wieder. Daher lebe ich jeden Tag ganz bewusst und versuche jedem, der mir begegnet, mit Freundlichkeit zu begegnen. Ich will Menschen Mut machen, zärtlicher im Alltag zu sein. Als der Herderverlag mich bat über das Thema "Zärtlichkeit" zu schreiben, habe ich lange gezögert. Nach all den Missbrauchsfällen in der Kirche war mir klar, dass das ein heikles Thema ist. Aber ich verstehe Zärtlichkeit als Zuwendung, als Herzenswärme und Güte. Ich begegne so vielen Menschen, die mir Kraft schenken. Das tut einfach nur gut.
Frage: Und wenn in manchen Momenten die Herzenswärme fehlt?
Sr. Teresa: Ja, wir sind halt Menschen und bedürfen immer der Gnade Gottes. Wenn ich heute ein Problem sehe, dann sage ich zu mir: "Hurra, ein Problem". Früher wäre ich damit nicht so schnell zu Recht gekommen. Aber der Tag ist viel zu kurz, um mich über vieles aufzuregen. Natürlich weine ich auch mal, aber das gehört zum Leben dazu. Dann rapple ich mich wieder auf und sage mir: Das ist das Leben - pur! Ich bin es gewohnt, dass ich nicht gleich aufgebe, mein früherer Sportsgeist hilft mir dabei. Heute könnte ich strahlen ohne Ende. Ich bin verliebt in Gott und in die Menschen. Ich sage mir dann immer: "Das wird der schönste Tag meines Lebens". Ich kann an Menschen verzweifeln, ich kann auch an Manchem in meiner Kirche verzweifeln, aber ich kann nicht an Gott verzweifeln.