Immer mehr verfolgte Christen
Der jährlich erscheinende Weltverfolgungsindex listet die 50 Länder auf, in denen Christen aufgrund ihres Glaubens am stärksten verfolgt und benachteiligt werden. Nach aktuellen Erhebungen des Hilfswerks ist ein beträchtlicher Teil der rund 625 Millionen Christen, die in diesen Ländern leben, direkt von Repressionen betroffen. Die Anzahl der wegen ihres Glaubens ermordeten Christen sowie der attackierten und zerstörten Kirchen hat sich seit dem Vorjahr in etwa verdoppelt. Demnach stiegen die Zahlen von 4.344 auf 7.100 Christen und von 1.062 auf 2.406 Kirchen.
In 35 der 50 Länder sei der islamische Extremismus die Haupttriebkraft der Verfolgung von Christen. Aber auch der religiös geprägte Nationalismus in hinduistischen und buddhistischen Ländern wie Indien und Myanmar verstärke sich.
"Christen sind die größte verfolgte Glaubensgemeinschaft weltweit", sagt Markus Rode, Leiter von "Open Doors" Deutschland. Angesichts eines Exodus von Christen aus dem Nahen Osten und einer Verfolgung "im Stil ethnischer Säuberung, die auch auf Afrika übergreift", müssten Politiker und Kirchen ihre Anstrengungen zum Schutz und zur Unterstützung verfolgter Christen deutlich verstärken.
Personenkult um Kim Jong-un prägt Nordkorea
In Nordkorea, das seit 14 Jahren auf Platz 1 des Index steht, bleibe der Druck auf Christen in allen Lebensbereichen außergewöhnlich hoch. Die Triebkräfte von Verfolgung sind nach Angaben von "Open Doors" eine Mischform aus "kommunistischer Unterdrückung" und "diktatorische Paranoia", wobei der Personenkult um Kim Jong-un mittlerweile dominiere. Nach offiziellen Angaben leben lediglich knapp 15.000 Christen im Land.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Der Irak rückt im Vergleich zum Vorjahr im Weltverfolgungsindex von Platz 3 auf 2 vor, Eritrea steigt sogar von Rang 9 auf 3. Dahinter folgen Afghanistan, Syrien und Pakistan. Erstmals in den "Top 10" vertreten ist Libyen (Platz 10). Hier hätten islamistische Gruppen seit dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 praktisch freie Hand und sammelten im bestehenden Umfeld von Anarchie und fehlender Rechtsstaatlichkeit kontinuierlich Unterstützer. In Eritrea, wo sich gut die Hälfte der Bevölkerung zum Christentum bekennt, ist laut "Open Doors" vor allem der autoritäre Führungsstil von Präsident Isaias Afewerki für den starken Anstieg der Verfolgung verantwortlich. Nach einem missglückten Staatsstreich und dem Versuch der Amtsenthebung Afewerkis, sieht der laut dem "Open Doors"-Bericht vor allem die Christen als "Agenten des Westens". Weit über 1.000 von ihnen sollen in Schiffscontainern oder Kerkern gefangen gehalten werden.
Pakistan: Wütende Mobs und Lynchjustiz
Der extreme Druck auf die etwa 3,8 Millionen Christen in Pakistan geht laut "Open Doors" weniger vom Staat als vielmehr von islamistischen Gruppen und Imamen aus, "die innerhalb kürzester Zeit Mobs mit Tausenden Muslimen gegen Christen aufhetzen". Der Lynchmord an einem jungen christlichen Ehepaar im November 2014 sowie Bombenanschläge mit 25 Toten auf zwei Kirchen am 15. März 2015 in Lahore seien "nur die Spitze des Eisbergs".
Im Nahen Osten ist wie in den Vorjahren der "islamische Extremismus" für die Gefährdung der Christen verantwortlich. Während in Afghanistan noch immer die Taliban mit beachtlichem Einfluss Teile des Landes beherrschten, sei es in Syrien und im Irak der IS, der bereits im Juni 2014 sein Kalifat ausgerufen und eine strikte Form der Scharia eingeführt hat. Angefeuert durch den Bürgerkrieg in Syrien wachse die Anzahl islamistischer Terrorgruppen im Norden und Westen des Iraks weiter.
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Generell macht "Open Doors" für 2015 den Trend aus, dass "islamisch-extremistische Kalifate ihren Aktionsradius über nationale Grenzen hinweg ausweiten": So wurden im Namen des IS Attentate in Paris, dem US-amerikanischen San Bernardino und in Ägypten verübt. Die nigerianische Terrormiliz Boko Haram greift mittlerweile auch in Kamerun, Niger und dem Tschad an. Und der Al-Kaida-Ableger Al Shabaab hat seinen Terror über die Grenzen Somalias in das benachbarte Kenia getragen. Immer mehr afrikanische Länder drängen dadurch kontinuierlich auf den Weltverfolgungsindex.
Kritik am Index von katholischer Seite
Kritik an den Zahlen von "Open Doors" übt das katholische Hilfswerk missio. "Der Weltverfolgungsindex differenziert zu wenig", sagt Menschenrechtsreferent Mark Draser im Gespräch mit katholisch.de. So seien Länder wie Eritrea, Somalia oder der Irak gescheiterte Staaten, in denen Christen nicht wegen ihres Glaubens, sondern aus Angst vor dem Machtverlust bedrängt würden. In Nordkorea würden alle Religionen gleichermaßen unterdrückt und in Syrien auch Kurden, Aleviten und Schiiten verfolgt.
Mit den Ländern, die in der "Top 10" des Weltverfolgungsindex auftauchen, ist Draser dagegen einverstanden. "Auch wir sehen, dass das Ausleben der Religiosität weltweit eingeschränkt wird." Aktuell seien es 102 Länder, in denen Christen an der Ausübung ihres Glaubens behindert würden. Vor allem die Mission und der Glaubenswechsel seien problematisch. Die Zahl von über 100 Millionen verfolgten Christen will der missio-Referent aber nicht bestätigen. "Dafür fehlen uns die Quellen."