In der Verkündigung verbunden
„Was bedeutet es für Sie, zur Verkündigung berufen zu sein?“
Bischof Karl-Heinz Wiesemann, katholische Kirche
Adel verpflichtet, sagt man. Der erste Petrusbrief richtet sich an die ersten Christen als "Geadelte". Er macht ihnen deutlich, dass sie ein "auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliges Volk" sind. Doch dieser Adel verpflichtet. Nämlich von den großen Taten Gottes, die er an uns vollbracht hat, zu erzählen, unsere Erfahrungen miteinander zu teilen und sie gemeinsam an die Welt weiterzugeben.
"Die Freude de Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen", sagt Papst Franziskus in seinem apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium (Nr. 1). In dieser Freude ermutigt er uns dazu, unser ganzes Leben als Verkündigung zu begreifen. Von ihr ist niemand ausgeschlossen. Denn Verkündiger des Evangeliums sind nicht nur Bischöfe, Pfarrer oder Katecheten, sondern jede und jeder in der christlichen Gemeinde. Das aufmunternde Wort zur Nachbarin, die Hilfe für den Arbeitskollegen, das Engagement für Flüchtlinge: unser ganzes Leben ist ein verkündender Gottesdienst (Röm 12,1).
Wer sich so als Verkünderin, als Verkünder der frohen Botschaft des Evangeliums im Alltag begreift, der wird erkennen, dass es eben keine schwere Verpflichtung, sondern eine tiefe Freude ist, die uns als "Adelige" auszeichnet. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen ermutigt uns dazu, uns dessen wieder neu bewusst zu werden und uns von Gottes Geist anstecken zu lassen, gemeinsam als Christinnen und Christen fröhliche Zeugen des Evangeliums zu sein.
Von Bischof Karl-Heinz Wiesemann
Patrick und Anne-Dore Naud, Heilsarmee
Als junge Christen rief uns der Geist des Auferstandenen Christus in den Dienst für andere. Diese Mission erfüllen wir nach dem Vorbild des Lebens Jesu in einer internationalen christlichen Bewegung, deren Mitglieder Uniformen tragen als ein sichtbares Zeugnis. Das ist die Heilsarmee!
Zur Verkündigung berufen bedeutet für uns: Das Evangelium für alle. Durch die ganzen Evangelien hindurch zeigt Jesus die Liebe des Vaters. Mit überwältigendem Mitgefühl sah Jesus sich als Diener der anderen, besonders der Armen. Ähnlich engagiert sich die Heilsarmee – ohne Ansehen der Person, des religiösen Hintergrunds, der politischen oder sozialen Einstellung. Dabei arbeitet sie aktiv mit ihren Schwester und Brüdern in anderen christlichen Kirchen zusammen, um humanitäre, soziale, bildende und medizinische Hilfe anzubieten. Ihr Zeugnis ist es, das Evangelium zu leben und zu verkünden, besonders in der Öffentlichkeit.
Diese Berufung bedeutet aber auch: Das Heil für alle. Das Heil in Christus zeigt sich in der unglaublichen Gnade Gottes für uns alle. Das Heil ist es, zu erkennen, dass Jesus Christus unser Heiland ist und uns zu Menschenfischern berufen hat. Die Erlösung ist es, eine neue Beziehung mit Gott zu entwickeln, nicht basierend auf unseren eigenen Leistungen, sondern im Glauben an den auferstandenen Christus.
Und sie bedeutet für uns: Die Heiligung des Lebens für alle. Die Heiligung des Lebens nimmt einen großen Platz ein im Leben eines Heilsarmee-Mitglieds. Gebet ist seine Stärke und tägliches Lesen der Bibel bringt Friede in sein Leben. Der Heilige Geist macht das Wort lebendig und effektiv und schenkt Weisheit und Einsicht.
Von den Obersten Patrick und Anne-Dore Naud
Bischöfin Rosemarie Wenner, Evangelisch-methodistische Kirche
Der christliche Glaube ist eine öffentliche Angelegenheit. Alle Menschen sollen erfahren, dass Gott sie in seine Gemeinschaft ruft. Ich kam zum Glauben, weil meine Eltern und Menschen in der evangelisch-methodistischen Gemeinde, in der ich aufwuchs, mir halfen, die Bibel kennen zu lernen. Angeregt durch ihr Vorbild begann ich zu fragen, was Gott aus meinem Leben machen kann, wenn ich mich ihm anvertraue. Im Theologiestudium wurde meine Leidenschaft genährt, mich intensiv mit dem Wort Gottes zu beschäftigen, um es selbst zu hören und dann weitersagen zu können. Durch die Ordination wurde ich Teil einer Kette von Männern und seit einigen Jahrzehnten auch Frauen, die im kirchlichen Dienst der Verkündigung, Seelsorge, Lehre und Leitung die frohe Botschaft vom Heil in Christus in Wort und Sakrament weitergeben.
In der Evangelisch-methodistischen Kirche steht die Einladung zur Christusnachfolge in der Mitte des kirchlichen Lebens. Wir sind davon überzeugt, dass persönlicher Glaube und soziale Verantwortung zusammengehören. Verkündigung ist deshalb ganzheitlich zu verstehen und jeder Christ ist gerufen, mit seinen Gaben Salz und Licht der Welt zu sein. Die Ordinationen finden in den großen regionalen Gottesdiensten statt, mit denen Jahr für Jahr die Tagungen der kirchenleitenden Konferenzen abgeschlossen werden. Da wird allen Anwesenden die Frage vorgelegt: "Wollt ihr gemeinsam mit den heute ordinierten Geschwistern das Zeugnis von Gottes Liebe in Wort und Tat ausrichten?" Der Ruf zur Verkündigung ist wahrhaft ökumenisch. Er gilt allen Christen seit dem ersten Osterfest bis Jesus wiederkommen wird und umfasst den ganzen Erdkreis.
Von Rosemarie Wenner
Metropolit Augoustinos, Vorsitzender der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland
Im Griechischen wird das Wort, das "Berufung" bedeutet, genauso ausgesprochen wie ein anderes, das mit "Neigung, Zuwendung zu etwas" wiedergegeben werden kann. Dies mag ein philologischer Zufall sein, trifft aber nach meiner Meinung den Kern der Sache. Nur dann nämlich, wenn zur Berufung auch die persönliche Neigung hinzukommt, kann Verkündigung gelingen.
Anders gesagt: In der orthodoxen Kirche ist der Dienst der Verkündigung immer ein primär liturgischer Dienst am Wort Gottes, immer ein Lobpreis des Logos Gottes. Es sind also nicht nur die akademischen oder intellektuellen Ambitionen, die jemand in den priesterlichen Dienst berufen, sondern auch die Fähigkeit und insbesondere die Bereitschaft, Gott zu suchen, zu erkennen und zu preisen. Das Wort "Orthodoxie" bedeutet ja neben "Rechtgläubigkeit" auch "rechter Lobpreis".
Daher rührt die besondere Liebe der Orthodoxen zu den Bildern (Ikonen), zur Musik, zur Architektur, kurz: zur Schönheit, die laut Dostojewski bekanntlich "die Welt rettet". Zur Verkündigung berufen zu sein, heißt für mich, Botschafter dieser Schönheit und der österlichen Freude und Auferstehungsgewissheit in der Welt zu sein. Vielleicht ist gerade diese Art des Denkens und Feierns "von Ostern her" ja auch der spezifisch orthodoxe Beitrag zur Ökumene.
Von Metropolit Augoustinos
Friedrich Schneider, Baptisten
Eine persönliche Frage. Ich beantworte sie darum auch persönlich, glaube aber, dass viele meiner Kolleginnen und Kollegen das ähnlich sehen.
"Berufung" - ein großes Wort. Als junger Mensch habe ich lange mit Gott und mir gerungen: Bin ich wirklich berufen? Und: Bin ich "gut" genug für diese große Aufgabe? Kann Gott wirklich ausgerechnet mich gebrauchen?
Andere Menschen und "aufleuchtende" Bibelworte wie Jeremia 1,7: "... sage nicht 'Ich bin zu jung', sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete." machten mir Mut. Manchmal, wenn der Dienst in der Gemeinde schwierig, die Menschen anstrengend, die Erfolge mäßig waren, war die Erinnerung an diese Berufung hilfreich, um durchzuhalten.
Dazu kam im Laufe der Jahre die Erkenntnis, dass zur Verkündigung nicht nur die Predigt gehört. Mit Menschen sprechen, gemeinsam entdecken, was für sie wichtig sein könnte, Probleme lösen und Begabungen zur Entfaltung bringen, also immer wieder auch hören – auf Menschen und auf die leise Stimme Gottes – alles das gehört auch zur Verkündigung.
Genauso wie das konkrete Handeln: Auch diakonische Projekte, gesellschaftliches Engagement, politische Mitwirkung sind Teil der Verkündigung, weil sie hin und wieder erkennen lassen, wie Gott sich seine Herrschaft vorstellt: Menschen kommen zu Recht und erfahren die gnädige Zuwendung Gottes – auch durch Menschen. Auch durch mich. Erstaunlich!
Berufen zu sein zur Verkündigung ist eine Lebensaufgabe – und ein großes Glück!
Von Friedrich Schneider
Hintergrund: Gebetswoche für die Einheit der Christen
Seit über 100 Jahren beten Christen an festgelegten Tagen für ihre Einheit. Seit 1968 wird die internationale Gebetswoche für die Einheit der Christen gemeinsam vom Ökumenischen Rat der Kirchen und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen organisiert. In Deutschland stellt die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirche (ACK) zur Gebetswoche in jedem Jahr Informationen und Materialen zur Verfügung. In der ACK sind derzeit 27 Kirchen und Gemeinschaften organisiert. Die Gebetswoche 2016 steht unter dem Leitwort "Berufen, die großen Taten des Herrn zu verkünden" (1 Petr 2, 9 f.).Pastor Christopher Easthill, Anglikanische Kirche
Für mich ist "zur Verkündigung berufen zu sein" eine Frage sowohl des Wortes, als auch der Tat. Natürlich bin ich als Pfarrer zunächst besonders berufen, die frohe Botschaft im Gottesdienst in meinen Predigten zu verkündigen – das heißt, die Heilige Schrift auszulegen, sie verstehbar zu machen, und daraus aber auch konkrete Handlungen für meine Zuhörer abzuleiten.
Aber die Sakramente, speziell die Taufe und die Kommunion, die wiederum Zeichenhandlungen sind, gehören ebenfalls zur Aufgabe der Verkündigung. In und durch diese Handlungen verkündige und zeige ich ganz konkret die Liebe Gottes, seine Vergebung, seine Präsenz, und seine offene Einladung an alle, mit ihm in eine enge und liebende Beziehung einzutreten. Dafür wurde ich ausgewählt, vorbereitet und geweiht.
Die Aufgabe der Verkündigung geht jedoch über solche kirchlichen Handlungen, über die Räume der Kirche, und über die kirchlichen Amtsträger weit hinaus. Alle Christen sind allein durch ihre Taufe berufen, in Wort und Tat "den Elenden frohe Botschaft zu bringen, gesandt, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um Freilassung auszurufen für die Gefangenen und Befreiung für die Gefesselten." (Jes 61,1).
Die Gelegenheiten sind vielfältig. Wir können einem einzelnen Menschen in einer Notsituation helfen, jemanden trösten, oder ganz aktuell mit Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, zusammenarbeiten. In all diesen Fällen verkündigen wir auch die frohe Botschaft Gottes, die Botschaft der Liebe, die Botschaft des Friedens, und die Botschaft der Gerechtigkeit.
Von Pastor Christopher Easthill
Dossier Ökumene: Was verbindet? Was trennt?
Ein Haus mit vielen Wohnungen: So lässt sich - vereinfacht - die Ökumene beschreiben. Das Haus, das viele Kirchen und Gemeinschaften beherbergt, umspannt die ganze Welt. Die Familien in diesem Gebäude sind Katholiken, Protestanten, Orthodoxe, Kopten, Altkatholiken, Anglikaner und Freikirchler.Bischof Martin Hein, Evangelische Kirche
In der evangelischen Tradition gibt es die hilfreiche Unterscheidung zwischen der inneren und der äußeren Berufung in das Verkündigungsamt. Wenn man so will: die subjektive und die objektive Seite der Berufung.
Die äußere Berufung drückt sich in der Ordination aus: Die Kirche spricht Pfarrern und Pfarrerinnen die Befähigung, aber auch die Ermächtigung zu, das Wort Gottes zu bezeugen. Das ist für mich von ganz großer Bedeutung: zu wissen, dass mein Auftrag nicht von den Schwankungen meines Glaubens, den Zufälligkeiten meiner Biographie oder dem Stand meiner Erfahrungen und Erkenntnisse abhängt.
Die äußere Berufung trägt mich, hält aber zugleich auch die Verpflichtung wach, der Berufung nicht auszuweichen. Das heißt für evangelische Predigerinnen und Prediger, sich regelhaft mit der Heiligen Schrift als der Quelle der Verkündigung auseinanderzusetzen. Hier hören wir die Stimme Christi und begegnen dem Heiligen Geist. So wird das Feuer stets neu entfacht.
Die äußere Berufung sorgt dafür, dass die innere erneuert wird. Die innere Berufung sorgt dafür, dass die Verkündigung nicht in Routine erstarrt. Dieser dynamische Kreislauf macht für mich nach wie vor die Faszination meines Berufs als Pfarrer aus, der ich auch als Bischof nach wie vor bin.
Von Bischof Martin Hein