In ständiger Angst
Zwei Täter auf einem Motorrad hatten das Feuer auf die Gesellschaft eröffnet, als diese die koptisch-orthodoxe Jungfrau-Maria-Kirche im Norden von Kairo verließ. Die Polizei leitete eine Großfahndung ein und nahm fünf Menschen fest. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen handelt es sich bei den Inhaftierten um "einen langbärtigen Mann, der zu einer Gruppe terroristischer Elemente gehört" sowie um vier Angehörige der Muslimbruderschaft aus dem Viertel. Über einen konkreten Tatverdacht wurde bisher jedoch nichts bekannt. Staatspräsident Adli Mansur und Ministerpräsident Hasem al-Beblawi reagierten betroffen. Sie bekundeten ineiner Regierungspressemitteilung dem koptischen Patriarchen Tawadros II. telefonisch ihr Beileid und verurteilten den "kriminellen Anschlag".
Bereits im August hatte es schwere Angriffe auf Christen in Ägypten gegeben. Extremisten, die mutmaßlich aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft kommen, machen die Kopten für die Absetzung von Präsident Mursi mitverantwortlich - auch, weil Tawadros II. zu den zivilen und kirchlichen Autoritäten gehörte, die Armeechef General Abdel Fattah al-Sisi flankierten, als er am 3. Juli die Entmachtung Mursis im Fernsehen verkündete.
Religionsvertreter beschwören Solidarität
Wie damals untermauern auch diesmal Religionsvertreter die Einheit und Solidarität der Menschen im Land. Großmufti Schawki Ibrahim Allam, der höchste muslimische Geistliche, sagte laut ägyptischen Medienberichten, Attacken auf Kirchen seien von der Scharia verboten. Der Prophet Mohammed betrachte solche Handlungen als Angriffe gegen Gott. Der Großscheich der Al-Azhar-Universität, Ahmed al-Tayyeb, fügte hinzu, die Tat stehe in Widerspruch zu Religion und Moral.
Ähnliches ist auch von der anderen Seite zu hören. Das Handeln der Attentäter habe "mit Religion nichts zu tun", sagt der koptisch-katholische Bischof von Assiut, Kyrillos William. "Wir katholischen Kopten stehen an der Seite unserer orthodoxen Brüder und Schwestern. Wir wissen aber auch, dass die vielen moderaten Muslime derartige Terrorakte verurteilen und mit uns auf ein demokratisches Ägypten hinarbeiten wollen."
"Gefühl der Solidarität zwischen allen Menschen"
Für den Pressesprecher der katholischen Bischofskonferenz im Land, Rafic Greiche, gebe es trotz der Tatsache, dass Christen für die Absetzung Mursi verantwortlich gemacht würden, ein "Gefühl der Solidarität zwischen allen Menschen" im Land. Der gemeinsame Feind sei der Terrorismus.
Ungeachtet aller Beschwörungen der gesellschaftlichen Einheit droht die Gewalt, das Klima zwischen den Gruppen mehr und mehr zu vergiften. Christen leben weiterhin in ständiger Angst. Seit der Niederschlagung der Pro-Mursi-Proteste durch die ägyptische Polizei und das Militär Mitte August sind nach einer von Amnesty International Anfang Oktober veröffentlichten Untersuchung mehr als 200 christliche Gebäude in Ägypten angegriffen und 43 Kirchen zerstört oder schwer beschädigt worden. (mit Material von dpa und KNA)