Chilenisches Missbrauchsopfer hofft auf päpstlichen Sonderermittler

"Kardinäle und Bischöfe haben vertuscht"

Veröffentlicht am 17.02.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Missbrauch

Philadelphia/Santiago de Chile ‐ Der Sonderermittler im Fall des chilenischen Bischofs Barros hat seine Arbeit aufgenommen. Missbrauchsopfer Juan Carlos Cruz erzählt im Interview, was er sich von Erzbischof Charles Scicluna erhofft.

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Mit einem drei Jahre alten Brief hat das chilenische Missbrauchsopfer Juan Carlos Cruz den Vatikan in Erklärungsnot gebracht. In dem Schreiben belastete Cruz Bischof Juan Barros schwer. Dieser habe in den 1980er Jahren etliche Fälle von sexuellem Missbrauch von Jungen durch seinen inzwischen vom Vatikan verurteilten Amtsbruder Fernando Karadima mit angesehen, ohne einzuschreiten. Das Schreiben soll den Vatikan drei Wochen vor der Amtseinführung von Barros als Bischof von Osorno erreicht haben. Der Fall überschattete auch den jüngsten Besuch von Papst Franziskus in Chile. Im Interview äußerte sich Cruz zur Papstreise und seine Erwartungen an den päpstlichen Sonderermittler.

Frage: Herr Cruz, wie haben Sie die Papstreise im Januar nach Chile aus ihrer Perspektive erlebt?

Cruz: Es war aus meiner Sicht eine schmerzhafte Reise, denn sie hat all die Wunden und Erinnerungen wieder aufgerissen. Auf der anderen Seite war es gut, dass die Welt gesehen hat, wie die Spitze der chilenischen Kirche versucht hat, das Thema klein zu halten und dass jetzt endlich etwas passiert.

Frage: Am Samstag werden Sie vom päpstlichen Sonderermittler, Erzbischof Scicluna, zu den Missbrauchsfällen in Chile befragt. Welche Hoffnungen verbinden Sie mit dem Besuch?

Cruz: Ich setze große Hoffnungen in Erzbischof Scicluna, denn er ist ein aufrichtiger Mann, der seinen Weg geradeaus geht.

Charles Scicluna aus Toronto ist ein maltesischer Geistlicher und Erzbischof von Malta.
Bild: ©dpa/Martial Trezzini

Der maltesische Erzbischof Charles Scicluna aus Toronto ist der päpstliche Sonderermittler für den Fall des chilenischen Bischofs Juan Barros. Bis 2012 war er in der vatikanischen Glaubenskongregation als eine Art Staatsanwalt für die kirchenrechtliche Ahndung von sexuellem Missbrauch durch Priester tätig.

Frage: Welche Forderungen verbinden Sie mit den anstehenden Untersuchungen?

Cruz: Es ist enorm wichtig, dass das Verhalten der Bischöfe Juan Barros, Tomislav Koljatic und Horacio Valenzuela, Männer die allesamt sexuellen Missbrauch vertuscht haben, genauestens untersucht wird.

Frage: Warum haben Sie kein Vertrauen in die chilenische Kirche?

Cruz: Man hat uns immer ermuntert, auszuzusagen, und das haben wir stets in gutem Glauben getan, aber bislang haben die Kardinäle und Bischöfe das mit weniger guten Absichten quittiert. Ich bin der Überzeugung, dass Kardinal Errazuriz, der frühere Erzbischof der Hauptstadt, einen enorm schlechten Einfluss auf den Papst hat, weil Errazuriz vertuscht hat und weil er versucht hat, die Opfer zu diskreditieren. Sein Nachfolger Kardinal Ezzati hat jüngst noch die Objektivität der Opfer in Zweifel gezogen. Er ist ein absolut unsensibler Mann.

Frage: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, direkt mit dem Papst zu sprechen, was würden Sie ihm sagen?

Cruz: Ich würde ihm sagen, dass die versprochene Null-Toleranz-Politik gegenüber Missbrauchstätern in Frage steht, wenn man in der Kirchenspitze das bisherige Vorgehen mit diesem Label schmückt. Und ich würde ihm sagen, dass es da draußen noch Tausende Missbrauchsopfer gibt, die man anhören muss und die die gleiche Aufmerksamkeit verdienen, wie ich sie gerade bekomme.

Von Tobias Käufer (KNA)