Kein Weiter-So-Präsident
Am kommenden Dienstag stellt sich der 60-Jährige in Regensburg den rund 180 Verbandsdelegierten zur Wiederwahl. In seiner dann dritten Amtszeit will Neher den Verband durch die Flüchtlingskrise führen. Ein Präsident des bloßen Weiter-So ist Neher nicht. Stattdessen hat er das Projekt "Caritas 2020" angestoßen, das jetzt verbindlich verabschiedet werden soll, um das Profil des Verbands zu schärfen und für zukünftige Herausforderungen fit zu machen. Ihm geht es um Innovation und mehr Offenheit.
Die Ansprüche sind hoch: Betroffene sollen stärker beteiligt werden, die Sichtweise von Armen und sozial Ausgeschlossenen in der alltäglichen Arbeit mehr Gehör finden. Zugleich dürfe es nicht zu einer Monopolstellung von Caritasangeboten kommen, um die Vielfalt sozialer Dienstleistungen zu erhalten. Und: Caritas will sich noch stärker als Teil der katholischen Kirche positionieren, gleichzeitig aber offen für nichtkirchliche Kooperationspartner bleiben oder werden. Dies alles muss im immer härteren wirtschaftlichen Wettbewerb im Sozialbereich bei gleichzeitiger Betonung des christlich-ethischen Anspruchs gelingen. Die Latte liegt hoch. Neher muss sich in den kommenden Jahren daran messen lassen.
Neher fordert europäische Flüchtlingspolitik
Als Caritaspräsident ist der stets unprätentiös auftretende Sozialmanager eines der prominentesten Gesichter der katholischen Kirche in Deutschland. Nicht erst seit den steigenden Flüchtlingszahlen treibt ihn die Frage um, wie Deutschland und die EU ihrer Verantwortung für die in Europa Schutzsuchenden besser nachkommen können. "Wir brauchen eine europäische Flüchtlingspolitik, die diesen Namen verdient", fordert er. So tritt er beispielsweise dafür ein, Flüchtlinge selbst entscheiden zu lassen, in welchem EU-Land sie ihren Asylantrag stellen.
Themenseite: Auf der Flucht
Ob Naturkatastrophen, Armut oder Terror: Täglich verlassen Menschen ihre Heimat, um anderswo ein neues, ein besseres Leben zu beginnen. Die Flüchtlinge kommen auch nach Deutschland. Das bedeutet eine große Herausforderung für Politik, Gesellschaft und Kirche.Für Neher ist entscheidend, dass eine christliche Grundhaltung den unverzichtbaren "Sauerteig" für alle Caritaseinrichtungen bilden muss. "Institutionelle Spiritualität" heißt das bei den "Caritas 2020-Thesen". Und dabei mahnt er, ein christliches Profil sei weitaus mehr als das Aufhängen frommer Bilder und Kreuze. Caritasmitarbeiter müssten vielmehr hilfesuchende Menschen bedingungslos annehmen und sie so "etwas von einem menschenfreundlichen Gott erahnen lassen".
Couragiert fördert Neher die Arbeit des Hilfswerks Caritas international und fordert langfristige Hilfen für die Opfer von Krisen und Katastrophen. Er selbst reist in Krisenregionen im Nahen Osten oder auf dem Balkan. "Es reicht nicht, nach einer Naturkatastrophe als westlicher Helfer einzufliegen, ein schön angestrichenes Häuschen hinzustellen und dann wieder zu verschwinden. Wenn wir die Würde der Betroffenen ernst nehmen, dann müssen wir mit den Leuten planen. Das braucht Zeit."
Seit zwölf Jahren an der Spitze des Verbandes
Der Aufstieg von Neher an die Spitze der Caritas vollzog sich rasant. Ein Gegenkandidat für die nun kommende dritte Amtszeit fand sich nicht. Nach Banklehre und nachgeholtem Abitur studierte der Allgäuer in Eichstädt und Würzburg Theologie und wurde 1983 zum Priester geweiht. Er arbeitete als Krankenhausseelsorger, Stadtpfarrer in Kempten und Subregens am Augsburger Priesterseminar, bevor er 1999 zur Caritas in Augsburg kam. Vier Jahre später wurde er Präsident des Deutschen Caritasverbands mit 590.000 Mitarbeitern.
Wichtig ist ihm das Thema Sterbe- und Suizidbeihilfe. Die Caritas prägt die Debatten um die derzeit vom Bundestag beratenen Gesetzesentwürfe mit. Auch das ein Thema, das trotz Flüchtlingskrise die Caritas und ihren Präsidenten weiter beschäftigen wird.