Prälat Jüsten mahnt Politiker zu Kompromissbereitschaft

Kirche und Hilfswerke pochen auf Familiennachzug

Veröffentlicht am 17.11.2017 um 15:30 Uhr – Lesedauer: 
Flüchtlinge

Berlin ‐ Die Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition gehen in die Endphase. Der Berlin-Vertreter der deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten, äußerte dabei Unverständnis über die Haltung der CSU.

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Die Kirche und verschiedene Hilfswerke betrachten den Familiennachzug weiterhin als zentrales Thema bei den Verhandlungen für eine Jamaika-Koalition. Unverständnis über die Haltung der CSU zu diesem Thema äußerte der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, am Freitag im Kölner domradio. Ihre Forderung nach einer Mütterrente und dem Ausbau der Familienleistungen unterstütze auch die Kirche. "Aber dann, meine ich, darf man nicht Familien, die auf der Flucht sind, auseinanderreißen und sie damit im Grunde genommen besonderen Gefahren aussetzen", so der Prälat. "Ich denke auch, dass Kompromisse an der Stelle möglich wären."

Jüsten betonte, Kompromissbereitschaft der möglichen Regierungsparteien sei generell gefragt: "Zum Wesen der Demokratie gehört es, dass man auf den anderen zugeht, dass man auch mal unterliegen kann in einer Auffassung und dass man dann trotzdem für seine Ideale weiterkämpft."

Die Kinderhilfsorganisation World Vision mahnte, für minderjährige Flüchtlinge müsse der Familiennachzug unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus ermöglicht werden. Bei Kindern auf der Flucht und ihren Familien könne eine Koalition zeigen, dass sie Kinderrechte ernst nehme, so die Organisation. Es sei dagegen unmenschlich, wenn Menschen sich in eine fremde Gesellschaft integrieren sollten, aber in Sorge um Familienmitglieder in Kriegsgebieten seien, so die Leiterin Politik von World Vision Deutschland, Gudrun Schattschneider.

Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten.
Bild: ©KNA

Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten.

Nachdem Anfang 2015 der Familiennachzug für subsidiär geschützte Personen in Deutschland erleichtert worden war und die Vorbedingungen verringert wurden, beschloss die Regierung im Frühjahr 2016 mit dem Asylpaket II, den Familiennachzug bei subsidiär geschützten Personen - oft aus Syrien - für zwei Jahre bis Mitte März 2018 vollständig auszusetzen.

Die Sondierungsparteien FDP, Grüne und Union sind bislang uneins darüber, ob die Aussetzung beibehalten oder aufgehoben werden soll. Besonders die Grünen möchten, dass Betroffene fortan enge Familienangehörige zu sich holen können. Dagegen sprach sich der CDU-Wirtschaftsrat erneut für eine weitere Aussetzung aus. "Die in den letzten Jahren rasant angestiegene Zuwanderung in die Sozialsysteme muss begrenzt werden auf die wirklich Schutzbedürftigen", sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, der "Bild"-Zeitung (Samstag). Dazu zählten die Familien "der vorläufig subsidiär geduldeten Flüchtlinge" nicht.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl warnte unterdessen vor einem "asylrechtlichen Totalschaden". Dies betreffe sowohl die Menschenrechte von Asylsuchenden in der EU als auch die deutsche Asylpolitik. Es sei erschreckend, dass entsprechende Verschärfungen laut den Sondierungsprotokollen offenbar nicht strittig seien, "wird doch in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, die Differenzen bestünden nur beim Thema Familiennachzug. Das Parteiensystem droht nach rechts zu driften", erklärte Pro Asyl. (KNA)

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Video: © katholisch.de

P. Frido Pflüger SJ vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst fordert im katholisch.de-Interview eine menschlichere Asylpolitik und eine stärkere Unterstützung von Willkommensinitiativen für Flüchtlinge in Deutschland.