Evangelische Theologin äußerte sich zu Reformationsgedenken

Kirchenhistorikerin: Lutherjahr diffuses Jubiläum

Veröffentlicht am 28.07.2017 um 11:45 Uhr – Lesedauer: 
Kirchenhistorikerin: Lutherjahr diffuses Jubiläum
Bild: © KNA
Evangelische Kirche

Köln ‐ Ein neues Lutherbild für das Reformationsgedenkjahr gibt es nicht, kritisiert die evangelische Kirchenhistorikerin Dorothea Wendebourg. 2017 ist für die Theologin daher ein sehr diffuses Jubiläum.

  • Teilen:

Als "sehr diffuses Jubiläum" hat die Berliner evangelische Kirchenhistorikerin Dorothea Wendebourg das laufende Reformationsgedenkjahr bezeichnet. "Ein neues Lutherbild gibt es 2017 nicht. Ich sehe überhaupt kein Lutherbild im Singular bei diesem Jubiläum", sagte die Theologin am Freitag im Deutschlandfunk. Der immense Aufwand, den man mit der zehn Jahre vorausgehenden Dekade getrieben habe, stehe "in keinem Verhältnis" zu dem "Ergebnis eines Reformations- oder Lutherbildes, das man irgendwie in den Raum stellen könnte", so die an der Humboldt-Universität lehrende Reformations-Expertin. Nach wie vor gebe es verschiedene Gruppen, die "ihren Luther bewerben - oder die ihn klein machen".

Bedeutung Luthers für die Eisenbahn

Weiter meinte Wendebourg, Politiker sprächen häufiger als Kirchenvertreter auch den kirchlich-theologischen Aspekt bei Luther an. "Es sind viel mehr Kirchenleute, die meinen, sie müssten jetzt die Bedeutung Martin Luthers für die Eisenbahn und dergleichen hervorziehen", sagte die Theologin. "Politiker scheinen mir da, angefangen vom alten und dem neuen Bundespräsidenten, sehr viel behutsamer, sehr viel sachgerechter oft zu sprechen."

Mit Blick auf die vorangegangenen Lutherjubiläen erklärte die Historikerin, die zu dem Thema soeben ein neues Buch vorgelegt hat, 1617 sei in gewisser Weise mit der Hundertjahrfeier der Reformation "das historische Jubiläum erfunden" worden. 1817 sei die Feier "so stark entkonfessionalisiert" gewesen, dass auch Katholiken und Juden mitgefeiert hätten. Letztere hätten vor allem den Aufbruch in die Aufklärung und Toleranz gefeiert. Die antijüdischen Spätschriften Martin Luthers seien damals kaum bekannt gewesen, seit 1616 habe es von ihnen keinen Nachdruck gegeben. Erst die völkische Bewegung des späten 19. Jahrhunderts habe sie wieder entdeckt, später seien sie von den Nationalsozialisten nachgedruckt worden. (KNA)

Linktipp: Theologe: Vermarktung Luthers ist erbärmlich

Den Personenkult um Martin Luther im Reformationsjahr kritisiert der evangelische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann scharf. Der Reformator tauge nicht als Vorbild für die Gegenwart. (Artikel von Januar 2017)