Klare Worte und große Gesten
Anschließend unterzeichneten beide eine gemeinsame Erklärung gegen Gewalt im Namen der Religion. Die großen Themen der sechsten Auslandreise von Franziskus waren außer der Ökumene der katholisch-islamische Dialog, Religionsfreiheit sowie die Lage der bedrängten Christen und anderen Minderheiten im Nahen Osten, vor allem in Syrien und im Irak. Vor Spitzenvertretern aus Politik und Gesellschaft forderte der Papst am Freitag gleiche Rechte für muslimische, christliche und jüdische Bürger in der Türkei. Er sprach damit Diskriminierungen an, denen die christlichen Kirchen oder muslimische Minderheiten wie die Aleviten ausgesetzt sind.
Zugleich scheute Franziskus, der die argentinische Militärdiktatur erlebt hat, nicht davor zurück, sich im Gespräch mit Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für eine Achtung der Meinungsfreiheit einzusetzen. Erdogan nutzte den Besuch seinerseits, um seine jüngste Kritik am Westen zu erneuern, und beklagte eine zunehmende Islamfeindlichkeit im Westen.
Aufruf gegen religiösen Fanatismus
Franziskus ließ sich nicht auf gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen westlicher und islamischer Welt ein. Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche rief Muslime und Christen zum gemeinsamen Kampf gegen religiösen Fanatismus und Fundamentalismus auf. Mit Blick auf das grausame Treiben der Terrormiliz "Islamischer Staat" in den Nachbarländern Syrien und Irak bekräftigte er, dass ein "ungerechter Aggressor" im Einklang mit dem Völkerrecht gestoppt werden müsse.
Jubelnde Massen begrüßten Franziskus in der Türkei ebenso wenig, wie dies bei seinen Vorgängern der Fall war. Vom Papst wurde auf den Straßen von Ankara und Istanbul wenig Notiz genommen. Der Vatikan hatte damit gerechnet und den offenen Geländewagen in Rom gelassen.
"Viva Papa"-Rufe gab es am Samstag nur in der katholischen Heilig-Geist-Kirche in Istanbul, wo sich einige hundert Katholiken und Christen anderer Konfessionen zum Gottesdienst mit dem Papst versammelt hatten. Zu den politischen Gesprächen von Franziskus in Ankara sagte Vatikansprecher Federico Lombardi, solche Termine seien bekanntlich "nicht ganz sein Milieu".
Überwiegend wohlwollende Berichterstattung
Die türkische Presse berichtete überwiegend wohlwollend. Nur islamistische Medien kritisierten den Besuch offen. Im Vergleich zur Reise von Benedikt XVI. 2006, die von der Empörung über die "Regensburger Rede" überschattet wurde, war die Situation diesmal nach Ansicht von Beobachtern von vornherein deutlich entspannter.
Die Türkei-Reise war nicht zuletzt eine der großen Gesten: Franziskus besuchte erstmals seit seinem Amtsantritt eine Moschee : die Blaue Moschee in Istanbul. Dort verharrte er an der Seite des Großmuftis mit gefalteten Händen, geschlossenen Augen und gesenktem Kopf, während der Mufti ein Gebet sprach. Es habe sich um eine "stille Anbetung" des Papstes gehandelt, teilte Lombardi anschließend mit. In der türkischen Presse gab es Spekulationen, beide hätten für den Frieden im Nahen Osten gebetet. Franziskus war der dritte Papst, der eine Moschee besuchte, aber der erste, der dort auch die Hände faltete.
Eine bemerkenswerte Szene war auch die Bitte des Papstes um einen Segen für ihn und die "Kirche von Rom" an den Ökumenischen Patriarchen. Franziskus beugte dazu während des ökumenischen Gebets am Samstagabend seinen Kopf tief vor dem kleingewachsenen Patriarchen, der ihm einen brüderlichen Kuss auf seine weiße Scheitelkappe gab.
Auffallend war, dass das Thema EU-Beitritt diesmal, anders als beim Besuch von Benedikt XVI. vor acht Jahren, auch von türkischer Seite keine Rolle spielte - und dass obwohl Franziskus noch drei Tage vor seiner Ankunft in Ankara vor dem Straßburger Europaparlament gesprochen hatte.