Kleine Stadt, große Gastfreundschaft
"An die Ränder gehen", das ist eine oft wiederholte Forderung von Papst Franziskus. In der lettischen Hauptstadt Riga fühlt es sich nicht so an, als stünde man am Rand der Welt und könne bald über die Kante spähen: Kopfsteinpflaster, Kirchtürme, Euro-Münzen und deftiges Essen mit Schweinefleisch, Sauerkraut und Erbsen erwarten den Gast. Viele der 15.000 jungen Pilger, die jetzt die Stadt besuchten, werden also ein wenig Heimat in der Fremde gespürt haben.
"Es gab eine gewisse Skepsis"
Der "Pilgerweg des Vertrauens", der auf Einladung der Taize-Gemeinschaft jedes Jahr in einer anderen europäischen Metropole Station macht, folgt keiner festen Route. Riga ist nicht nur die erste Stadt im Baltikum auf dem Pilgerweg, sondern auch eine der kleinsten Gastgeber-Städte. "Als wir das erste Mal in Gesprächen mit den Kirchen in Riga waren, gab es eine gewisse Skepsis", berichtet Bruder Alois, der Prior der Taize-Gemeinschaft. "Wie soll eine kleine Stadt wie Riga so ein Treffen stemmen?", fragten die Bischöfe.
Das lettische Selbstvertrauen ist nach jahrelanger Fremdherrschaft noch nicht wieder voll hergestellt. Wenn man mit Letten über die politische Situation im Land spricht, kommt schnell der Satz: "Man weiß nie, ob Russland etwas vorhat." Für den großen Nachbarn, von dem Lettland erst seit 25 Jahren unabhängig ist, gehört das Baltikum immer noch zu Russland - davon sind hier viele überzeugt. Umso wichtiger ist es den Letten zu zeigen, dass sie gute Gastgeber sind, die sich mit Europa identifizieren. Nach dem gelungenen Treffen in Riga überwiegt jetzt der Stolz.
Die nächsten potenziell guten Gastgeber stehen schon längst in den Startlöchern. In kirchennahen Kreisen wurde schon lange der Name Basel gemunkelt, wenn es um den Austragungsort des nächsten Europäischen Taize-Jugendtreffens ging. Dass die schweizerische Stadt in unmittelbarer Nähe zu Deutschland und Frankreich der nächste Gastgeber sein wird, war auch vor der offiziellen Verkündung kein Geheimnis mehr. Spannend: Basel ist noch einmal kleiner als Riga.
Mit Konrad Meyer organisiert ein echter Taize-Profi die nächste Zusammenkunft der jungen Pilger. Er war bereits an der Organisation des ersten Jugendtreffens in Paris 1978 beteiligt. Meyer kennt die Antwort auf die Frage der lettischen Bischöfe: Improvisation. "Alles ist im Fluss", weiß er. "Man kann zwar einiges vorbereiten, aber viel muss während dem Treffen spontan passieren." Keine feste Route - das gilt nicht nur für den Pilgerweg des Vertrauens.
Für die Teilnehmer am Treffen ist diese Spontaneität stellenweise verwirrend. "Oft haben wir keinen Plan, was als nächstes passiert", sagt etwa Kilian. Der 18-Jährige aus Leipzig ist Leiter einer selbstorganisierten Kleingruppe. Als er und seine Mitpilger nach Beispielen suchen, fällt auf, dass trotzdem immer alles doch irgendwie funktioniert hat. "Es war dann doch immer ein Bus da, der uns zum richtigen Ort gebracht hat", stellen sie fest. "Und die Letten waren super hilfsbereit." So wie 90 Prozent der Pilger in Riga sind auch die Leipziger kurzerhand in einer Gastfamilie untergekommen.
Linktipp: Taize-Jugendtreffen 2017 findet in Basel statt
Die schweizerische Stadt Basel wird nächstes Jahr das Taizé-Jugendtreffen beherbergen. Trotz seiner geringen Größe hat es für den Prior Frere Alois nämlich einen entscheidenden Vorteil.Wer erfolgreich improvisiert, dem gelingen auch Dinge, die nicht in der eigenen Hand liegen. Das bestätigt auch das Wetter in Riga: Mit Höchstwerten knapp unter zehn Grad Celsius erlebte Riga einen ungewöhnlich warmen Jahreswechsel. Der katholische Erzbischof, Zbignevs Stankevics, deutete darin augenzwinkernd ein göttliches Zeichen. Auch in der Schweiz öffnen sich bereits Türen, belegt geglaubte Hallen für die Unterbringung werden auf wundersame Weise frei.
"Unbedingt machen!"
In der Schweiz ist man darum zuversichtlich, dass die Improvisation auch beim nächsten Mal gelingen wird. Auch aus der Bischofskonferenz kamen aufmunternde Worte in Richtung Basel. Vor zehn Jahren fand das Treffen bereits einmal in der Schweiz, in Genf, statt. "Unbedingt machen!", sei die Botschaft der dortigen Kirchenvertreter. Das Jahr 2017, es wird wohl ein kurzes werden für Konrad Meyer. Aber eines, dessen Arbeit sich am Ende ebenfalls lohnen könnte: "Den zehn Jahre alten Impuls spürt man in Genf bis heute!"