"Leichtigkeit fürs Leben gewinnen"
Liliana Cobos steht neben einer Skelett-Dame und richtet ihr das pinke Kleid und den eleganten Hut. In wochenlanger Arbeit hat sie die Figur aus Pappmache hergestellt. In Mexiko ist sie landläufig als "Catrina" bekannt und ein fester Bestandteil der Altäre, auf denen auch Bilder der Toten platziert werden. "Wenn die Leute meine Figuren sehen, denken sie zuerst immer an Halloween. Dabei ist der 'Dia de los muertos' eine fröhliche Tradition des Totengedenkens, in dem aztekische und christliche Wurzeln verschwimmen", erklärt Cobos. Als sie vor 15 Jahren nach Deutschland kam, bekam die Tradition des Totentages eine besondere Tiefe für sie. Sie sei ein Stück Heimat, bekennt die Musikerin.
Im Laufe der Jahre habe sie immer wieder Totenaltäre gestaltet, privat oder für kleinere Veranstaltungen, so Cobos. Der fröhliche Charakter des Totengedenkens spreche auch viele Deutsche an. "Natürlich trauern wir auch, aber einmal im Jahr können wir mit den Toten gemeinsam feiern. Es ist eine Mischung aus Trauer, Fröhlichkeit und Nostalgie", so beschreibt die Künstlerin die Tradition und ihre Erfahrungen in Deutschland.
Totentag gehört zur nationalen Kultur
Auch ihre Landsfrau Rosaana Velasco versteht die Feier des Totentages als ein Stück nationaler Kultur, das sie sich auf diese Weise bewahren möchte. Neben der Gestaltung des Totenaltars eröffnet sie am 1. November im Museum eine Ausstellung mit Bildern und Skulpturen rund um das Thema. Das Motiv des Totenkopfs ist in ihrer Kunst allgegenwärtig. "Die Totenschädel sind ein wichtiger Bestandteil der aztekischen Kultur", so die Künstlerin.
Auf einer wissenschaftlichen Ebene beschäftigt sich die Amerika-Referentin des Museums und Kuratorin der Ausstellung, Anne Slenczka, mit der mexikanischen Tradition. Gemeinsam mit den beiden mexikanischen Künstlerinnen bereitet sie die Ausstellung und die Feier am 1. November vor. Sie ist während ihres Auslandaufenthaltes in Mexiko mit der Tradition des Totentages in Kontakt gekommen. "Dort kann man sich der Dynamik des 'Dia de los muertos' gar nicht entziehen. Das fröhliche Wiedersehen mit den Toten prägt den Nationalcharakter des Landes", schwärmt Slenczka.
Große Unterschiede beim Umgang mit dem Tod
Besonders interessant an der Tradition findet die Wissenschaftlerin das Verschwimmen von aztekischen und christlichen Elementen: "Menschen an verschiedenen Orten hatten zur gleichen Zeit ähnliche Vorstellungen vom Jenseits und man weiß am Ende gar nicht mehr, wo die eine Traditionslinie anfängt und wieder endet".
Nach ihrer Rückkehr aus Mexiko hat Slenczka, so sagt sie, erst gemerkt, wie sehr sich der Umgang mit dem Tod zwischen Lateinamerika und Europa unterscheidet. "Für viele Menschen ist es anfangs befremdlich, wenn man sich lustige Geschichten über die Verstorbenen erzählt und dazu Totenbrot und Schädel aus Zuckerguss serviert", so Slenczka. Doch auf diese Weise werde der Tod in die Welt der Lebenden integriert. So lasse sich "Leichtigkeit fürs Leben gewinnen", sagt Slenzcka.
Von Maike Müller (KNA)