Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hält Spiritualität wichtig für das Gemeinwesen

"Christentum ist wichtiger als Marxismus"

Veröffentlicht am 26.03.2016 um 10:16 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Halle ‐ Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hält geistliche Angebote auch politisch für wichtig. Religiöse und spirituelle Rituale ermöglichten Gemeinschaft und könnten Heilung schaffen, sagte er mit Blick auf Ostern.

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Beispielhaft für die Bedeutung des Religiösen sei für ihn die Reaktion auf den Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium 2002 gewesen, sagte der Linken-Politiker. "Ohne die offenen Kirchen hätte es eine Heilung der zutiefst verletzten Seelen in dieser Stadt nicht gegeben. Wir brauchen Spiritualität. Sie kann nur nicht verordnet werden. Sie ist kein Staatsauftrag."

Österliche Hoffnung

Ramelow fügte hinzu, der Kapitalismus und seine Verwertungslogik führten zur Vereinzelung des Menschen. "Und diese Vereinzelung lässt keine Räume mehr, um Druck und Schmerz auszuhalten. Wir brauchen also eine Gemeinschaft, die sich spürt und wahrnimmt. Spiritualität wäre wichtig, um wieder mehr Gemeinschaft herzustellen."

Mit Ostern sei für ihn "die Hoffnung verbunden, dass man am Ende von etwas immer auch den Anfang wieder erkennen kann", betonte der Ministerpräsident. "Gerade unser Land sollte Hoffnung haben und Hoffnung verbreiten." Das gelte nicht zuletzt in der Flüchtlingskrise.

Christentum wichtiger als Marxismus

Gegenüber der "Berliner Zeitung" (Samstag) bezeichnete Ramelow das Christentum als wichtiger als der Marxismus. "Im Christentum wohnt die Erkenntnis, dass es etwas gibt, was nicht vom Menschen beeinflusst ist."

"Das ist das Göttliche. Am Ende kam auch Marx immer wieder an Punkte, die er nicht erklären konnte", fügte der evangelische Christ hinzu. "Diese Erkenntnis über das Vorhandensein des Unerklärbaren gibt mir wiederum Kraft. Ich bin froh, dass ich nicht auf alles eine Antwort habe. Man muss Widersprüche aushalten und daraus Kraft ziehen können."

Mit Blick auf die hohe Zahl Konfessionsloser in Ostdeutschland sagte der Ministerpräsident: "Konfessionslosigkeit heißt ja nicht Religionslosigkeit. Konfessionslosigkeit ist eher ein Erbe der DDR. Dennoch hatte meine PDS in Thüringen nie ein Problem mit mir als Gläubigen. Es gab aber Debatten bei der Vereinigung mit der WASG, als Alt-68er aus Westdeutschland dazu kamen und vereinzelt anti-klerikale Parolen vor sich hertrugen. Das hat sich beruhigt."

Ramelow war zeitweise aus der evangelischen Kirche ausgetreten - als er in den 70er Jahren das Gefühl hatte, "seine Kirche, nicht aber seinen Glauben" verloren zu haben. In Erfurt sei er dann, auch bedingt durch die Leukämieerkrankung seines Sohnes, wieder eingetreten. (KNA)

Linktipp: "Mehr Religion in der Staatskanzlei"

Bodo Ramelow ist der bundesweit erste Ministerpräsident der Linkspartei. Mit der Katholischen Nachrichten-Agentur sprach er kurz nach seiner Wahl im Dezember 2014 über sein neues Amt, die SED-Vergangenheit seiner Partei und das Verhältnis von Linken und Religion.