"Mach's gut!"
"Paul Meier, Schornsteinfeger aus Rosenheim. Er kehrt nie wieder." Es gibt Todesanzeigen mit ungewöhnlichen, mitunter auch doppelbödigen Texten - darüber sind ganze Bücher erschienen. Der Tod eines ehemaligen Pfarrers wird in einer Lokalzeitung dagegen mit diesen Worten bekanntgegeben: "Gott, unser allmächtiger und barmherziger Vater, hat seinen treuen Diener in sein ewiges Reich gerufen." Dazu ein schlichtes Kreuz und ein Psalm.
Todesanzeigen in Zeitungen oder im Internet können so verschieden sein wie die Leben der Verstorbenen es waren. Es gibt Angehörige, die sich mit persönlichen Texten und Symbolen verabschieden. Andere setzen auf Traditionelles. Zudem findet man auch immer wieder recht ähnliche Anzeigen. "Vieles ist sehr neutral formuliert", sagt Ulrich Seelbach von der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld. "Man orientiert sich sehr stark an dem, was man in den Zeitungen findet." Auch Bestatter bieten Vorlagen an.
Individualisierung als Trend
Kein Wunder: Wenn ein Mensch stirbt, seien Angehörige oft hilflos, erläutert Seelbach. Viele würden heutzutage allgemein mit dem Tod nicht mehr fertig. "Die Kirche spielt nicht mehr so eine Rolle." Er beobachte, dass Anzeigen immer weniger christliche Symbole wie etwa ein Kreuz trügen. Ähnliche Klagen waren in der Vergangenheit auch schon aus Diözesen zu hören, beispielsweise von Weihbischof Matthias Heinrich vom Erzbistum Berlin.
Im Erzbistum Köln hat man beobachtet, dass die Anzeigen persönlicher gestaltet würden, "was ganz dem Trend zur Individualisierung in unserer Gesellschaft entspricht", so Pressereferentin Sarah Meisenberg. "Verse aus der Bibel oder Zitate von Kirchenzeugen werden seltener." Es gebe auch die Tendenz, den Text auf die Nennung des Namens und der wichtigsten Daten zu reduzieren. "Dennoch finden sich nach wie vor auch klassische christliche Symbole wie das Kreuz, Ähre und Weinstock oder das Christusmonogramm und der damit verbundene Ausdruck der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod."
Linktipp: Trauer mit Pixelmuster
Man kennt sie von Bahn-Tickets oder aus der Werbung - doch langsam tauchen sie sogar auf Friedhöfen auf: QR-Codes, diese schwarz-weißen Pixelmuster für den schnellen Weg mit dem Smartphone ins Internet. Mal auf angeschraubten Messingplatten, mal eingraviert auf dem Grabstein oder auf einer Stele davor.Traueranzeigen üben auf manche Menschen eine große Faszination aus. Wir vergleichen das Alter eines Toten mit unserem eigenen, manchmal erfahren wir etwas über sein Leben und Sterben, seine Religiosität, sein Hobby oder die Verwandtschaft. Und hin und wieder können wir einen Verstorbenen sogar auf einem Foto in seinen besten Jahren sehen, im Porträt, mit Musikinstrument oder Motorrad. Manchen Menschen ist das Betrachten von Todesanzeigen zu wenig - sie sammeln. So wie rbb-Intendantin Dagmar Reim. Ende Mai sprach sie in einem Interview über ihre Leidenschaft - ihre Sammlung bestehe aus rund 800 Exemplaren - und über das ein oder andere Beispiel, darunter auch das mit dem Rosenheimer Schornsteinfeger.
Seelbach hat eine Internetseite auf die Beine gestellt, auf der die Sprüche in Todesanzeigen genauer unter die Lupe genommen werden. Er hat festgestellt, dass diverse literarische Zitate gar nicht oder nicht sicher von dem in der Anzeige angegebenen Urheber stammten.
Eine andere Beobachtung sei, dass literarische Texte in jüngster Zeit auch von Liedzeilen abgelöst würden.
"Ohne Blumen. Ohne Tränen."
Mit Texten wollten Angehörige nicht nur einen Toten verabschieden, sondern oft auch ein Stück von sich selbst preisgeben, sagt Daniela Schlütz vom Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Für besonders augenfällige, individuelle Anzeigen sei vermutlich weniger die reale als die virtuelle Welt der geeignete Ort: "Ich vermute, dass das in den Online-Bereich abwandert."
Ein weiterer Sammler von speziellen Traueranzeigen ist Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Er hat kuriose, herzliche, aber auch hasserfüllte Todesanzeigen in Büchern veröffentlicht und betreibt eine Internetseite mit Beispielen. Dort ist etwa die Selbstanzeige eines Oberstleutnants zu finden, der zwei letzte Befehle erteilt: "Ohne Blumen. Ohne Tränen." Oder dies: "Die Bahnhofsbank ist leer, Du fehlst uns sehr. Warst immer da, bei jedem Wetter. 'Tüten Alfred'. Du warst ein Netter. Nun hast Du Deinen Frieden, mögest Du im Himmel auch Dein Körnchen kriegen. Mach's gut!"
Dossier: Friedhof: Die letzte Ruhestätte
Was ist im Todesfall zu beachten? Welche Formen der Beisetzung gibt es in Deutschland? Wie hat sich die Bestattungskultur verändert und wie ist es heute um den Friedhof bestellt? Katholisch.de gibt in einem umfangreichen Dossier Antworten auf diese und andere Fragen.