Seligsprechung für "Dom Zef", Asyl für Gjergj

Mein Onkel, der Märtyrer

Veröffentlicht am 29.10.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Pfarrer Josef Marxen vor seinem Pfarrhaus
Bild: © KNA
Seligsprechung

Köln/Shkoder ‐ 2008 erfuhr Cäcilia Giebermann, dass ihr Großonkel in Albanien seliggesprochen werden soll. Sie begab sich auf Spurensuche. Das Ergebnis: ein Buch - und eine Art persönliches Asyl für einen albanischen Flüchtling.

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Wie reagiert man auf die Nachricht, dass der eigene Großonkel als christlicher Märtyrer anerkannt werden soll? "Zuerst war ich total überrascht, fast überwältigt", sagt Cäcilia Giebermann. "Aber dann stand schnell fest: Ich muss auf Spurensuche gehen." Das war 2008. Inzwischen ist das kirchliche Verfahren für Josef Marxen (1906-1946) beendet: Der Priester wird am 5. November in Albanien seliggesprochen, zusammen mit 37 weiteren Opfern des früheren kommunistischen Regimes. Für Giebermann ist Marxens Geschichte damit aber längst nicht abgeschlossen. Vielmehr reicht sein Vermächtnis als Auftrag in die Gegenwart - bis zum hochaktuellen Thema Flucht.

Cäcilia Giebermann (l.) in Perlat in Albanien.
Bild: ©KNA

Cäcilia Giebermann (l.) in Perlat in Albanien. Neben Cäcilia Giebermann sitzt Fran Mark Hasanij, ein Zeitzeuge, der noch sehr präzise Erinnerungen an Josef Marxen hatte. Inzwischen ist er verstorben.

2008 lernte die Theologin und Ärztin zunächst Albanisch, nahm Kontakt zu kirchlichen und staatlichen Stellen in Albanien auf und reiste zweimal an Orte, wo der in Köln-Worringen geborene Marxen tätig gewesen war. Dort erlebte die Mutter von fünf Kindern eine andere Welt. Und Menschen, die "Dom Zef" noch gekannt haben. All das hat Giebermann in einem kleinen Buch über den Bruder ihrer Großmutter festgehalten.

Bescheidener Missionar

1936 war der junge Priester voller Idealismus ins bettelarme Albanien gegangen, wo über die Hälfte der etwa eine Million Einwohner muslimisch, nur zehn Prozent katholisch waren. Zunächst wurde er Pfarrer von Perlat in den Bergen, ab 1941 in Jube nahe der Hafenstadt Durres. Bald stellten die Menschen verwundert fest, dass "Dom Zef" bei der Renovierung des Pfarrhauses mit anpackte, auf Privilegien wie die Benutzung eines Pferdes verzichtete, sich ohne Scheu um eitrige Wunden kümmerte und auch bei Eiseskälte zu seinen Schäfchen in der weitläufigen Pfarrei kam. Für diese menschenfreundliche Art wurde der beseelte Missionar geradezu verehrt.

„Ich bin glücklich. Ich werde nun sterben, und man wird sich in Albanien daran erinnern, dass ich ein Zeuge für Christus war.“

—  Zitat: Letzte Worte von Josef Marxen

Mit Beginn der kommunistischen Diktatur Ende 1944, die Albanien zum "ersten atheistischen Land der Welt" machen wollte, wurde es gefährlich für die wenigen Christen. Dennoch entschied Marxen, im Land zu bleiben. Zweimal wurde er inhaftiert und schließlich am 16. November 1946 nachts in einem Wald nahe Tirana erschossen. Ein Mithäftling zitiert die Abschiedsworte des damals 40-Jährigen: "Ich bin glücklich. Ich werde nun sterben, und man wird sich in Albanien daran erinnern, dass ich ein Zeuge für Christus war."

"Als junges Mädchen habe ich nach allen Geschwistern meiner Großeltern gefragt, von Onkel Josef wusste aber niemand Genaueres", berichtet Cäcilia Giebermann. So kennt die Familie nicht einmal sein Grab. Inzwischen ist auch der jüngste Bruder Alfons hochbetagt gestorben. "Aber zum Glück hat er noch mitbekommen, dass Josef seliggesprochen werden sollte."

Die Initiative dazu ging 2002 vom Erzbischof von Shkoder, Angelo Massafra, aus. Auch ihn hat die Rheinländerin in Albanien getroffen. "Einige Leute dort haben sich praktisch bei mir für den Tod meines Onkels entschuldigt", zeigt sich die 45-Jährige beeindruckt. "Sonst sind wir Deutsche ja eher in der Rolle der Täter." Besonders nachhaltig war die Begegnung mit einer Familie, die heute im früheren Pfarrhaus von Marxen lebt. "Am Anfang waren die Leute sehr scheu und wussten nicht so recht, was sie mit mir anfangen sollten", erinnert sich die Autorin. Doch sie hielt Kontakt zu den Eltern, zu den Kindern Pashke, Kristian und Gjergj.

Der Kreis schließt sich

Und als im vergangenen Jahr tausende Menschen auch aus Albanien auf der Suche nach einem Leben in Frieden nach Westen aufbrachen, machte sich der 22-jährige Gjergj auf den Weg. Heute lebt der junge Mann bei Familie Giebermann - als Aupair für die fünf Kinder. Zur Seligsprechung wird er natürlich mitreisen.

Für Cäcilia Giebermann, die auch eine medizinische Hilfsaktion für ein schwerkrankes albanisches Baby initiiert hat, schließt sich damit ein Kreis. Sie und ihre Familie wollen sich noch mehr für die Menschen aus einem der ärmsten Länder Europas engagieren. "Mein Großonkel hat damals ganz bewusst den Schritt nach Albanien gemacht.

Heute machen viele Albaner den Schritt zu uns. Aber sie sind hier nicht gut angesehen", sagt die Ärztin und Theologin. Das möchte sie ändern - ganz im Sinne von Josef Marxen.

Von Sabine Kleyboldt (KNA)