Bischöfe begehen Heiligabend an ungewöhnlichen Orten

Menschwerdung zwischen Gleisen und Gittern

Veröffentlicht am 25.12.2015 um 00:01 Uhr – Von Agathe Lukassek – Lesedauer: 
Weihnachten

Bonn ‐ Einige deutsche Bischöfe haben am Heiligabend und am 23. Dezember Gottesdienste an ungewöhnlichen Orten gefeiert: In der Obdachlosenhilfe, am Bahnhof, im Gefängnis. Katholisch.de berichtet, was sie dort zu sagen hatten.

  • Teilen:

Zu Gast bei Obdachlosen in München

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx besuchte am Heiligen Abend die Obdachlosenhilfe im Haneberghaus der Benediktinerabtei Sankt Bonifaz. In Gesprächen informierte er sich über die Situation der Betroffenen, wie die Erzbischöfliche Pressestelle am Donnerstag mitteilte. In der Einrichtung werden nach Angaben des Ordens täglich 150 bis 200 Mahlzeiten ausgegeben, durchschnittlich suchen pro Tag 35 Menschen den Sanitärbereich auf.

In der Kleiderkammer erhalten täglich 60 bis 70 Menschen Kleidung, wie es in der Mitteilung weiter heißt. Die Arztpraxis der Obdachlosenhilfe behandele pro Quartal bis zu 420 Patienten, von denen rund 20 Prozent nicht krankenversichert seien. Über 250 Menschen nutzten zudem das Kloster als Postadresse. Die Abtei, zu der auch das Kloster Andechs mit seiner Brauerei und den Gaststättenbetrieben gehört, finanziert die Einrichtung aus Eigenmitteln und Spenden.

Heiligabend im Gefängnis

Mit Gerhard Feige und Friedhelm Hofmann besuchten gleich zwei Bischöfe Gefängnisse. Einen Tag vor Heiligabend feierte der Würzburger Bischof Hofmann hinter den sechs Meter hohen Mauern der JVA der Stadt mit den Gefangenen die Geburt Jesu. Bei der ökumenischen Christvesper stellte der Bischof die Frage, was sich durch die Geburt Christi in der Welt geändert habe, da die Bibel ist voller Gräueltaten sei. Er sagte: "Keiner von uns ist frei von Schuld." Nicht ohne Grund seien weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht.

"Christus ist Mensch geworden, weil er uns damit sagt: 'Ich mag Euch und ich baue darauf, dass Ihr meine Liebesbotschaft weitergebt'. Gott sagt zu jedem Menschen Ja." Wenn es gelinge, Frieden mit Gott, mit sich selbst und mit dem Nächsten zu finden, dann werde die Welt anders."Wir können einander das Leben schöner und besser machen." Das "Amen" Hofmanns quittieren die Gefangenen mit viel Applaus und vereinzelt auch mit einem lauten "Amen".

Die Stimmung hinter Gittern an Weihnachten beschreibt Gefängnispfarrer Matthias Leineweber als belastend: "Viele Gefangene sind in diesen Tagen besonders bedrückt, vor allem diejenigen, die diese Zeit zum ersten Mal in der JVA erleben". Familie und Freunde könnten in dieser Zeit nur eingeschränkt zu Besuch zugelassen werden. Weil zudem die JVA-Betriebe wegen der Feiertage geschlossen seien, entstehe viel Leerlauf. Ein weiterer Lichtblick in den Tagen: "Wir bieten besonders gutes Essen an. Es gibt Fisch, Wild und Geflügel", sagt JVA-Chef Robert Hutter.

Der Magdeburger Bischof Feige feierte mit etwa 50 Strafgefangenen in der Justizvollzugsanstalt Burg am Morgen des Heiligen Abends Gottesdienst. Musikalisch wurden sie von der Gefängnis-Gruppe "Klangzeit" begleitet – ein Engagement, das der Bischof würdigte. Nach dem Gottesdienst nutzten viele der Strafgefangenen die Gelegenheit, mit Feige zu sprechen.

Heinrich Bedford-Strohm und Reinhard Marx schütteln Flüchtlingen die Hände
Bild: ©KNA

Der Münchener Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Kardinal Reinhard Marx begrüßen im Sommer 2015 ankommende Flüchtlinge auf dem Bahnhof in München. An Heiligabend kam Bedford-Strohm wieder an den Ort zurück, um mit den Flüchtlingen und Helfern eine Vesper zu feiern.

Predigt am Münchner Hauptbahnhof

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm feierte am Nachmittag des 24. Dezember einen Gottesdienst in der Schalterhalle des Münchner Hauptbahnhofs. Dabei erinnerte er daran, wie dieser Ort im Spätsommer zu einem Symbol deutscher Willkommenskultur geworden sei. Er habe große Hochachtung vor der Einsatzbereitschaft und der organisatorischen Kompetenz der Behörden und Hilfsorganisationen, die sich bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge gezeigt hätten.

Einerseits gebe es Freude und Dankbarkeit, dass es in diesem Jahr gelungen sei, eine Million Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, so der evangelische Landesbischof. Andererseits herrschten aber auch Erschöpfung und Zweifel, ob die Integration und die Aufnahme weiterer Flüchtlinge die Kräfte nicht übersteigen könnten. Auch die Situation der Flüchtlinge in den Einrichtungen sei für sie oft bedrückend. Viele von ihnen wüssten immer noch nicht, was mit ihnen künftig geschehe. Die Asylverfahren dauerten zu lange, weil Personal fehle. Menschen, die mit großen Hoffnungen hier angekommen seien, zeigten sich inzwischen ernüchtert.

Lob und Mahnungen von Woelki und Becker

Nach den Worten von Bedford-Strohm wird viel Empathie nötig sein, um die künftigen Herausforderungen zu bestehen. Deswegen aber sei Weihnachten so wichtig. Denn das Fest sei die größte Quelle der Empathie, die die Welt gesehen habe. Mit der Geburt Jesu Christi verbinde sich eine große Bewegung der Liebe in die Welt hinein. Die weihnachtliche Antwort auf die Sorge, ob die Situation zu bewältigen sei, laute: "Ja, wir werden sie bewältigen, wenn wir unsere Herzen der Kraft der Liebe öffnen, die durch die Geburt Christi in die Welt gekommen ist."

Dossier zu Weihnachten: Gott wird Mensch

"Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude": So beginnt der Bericht des Evangelisten Lukas über die Geburt Jesu, die Christen alljährlich am 25. Dezember feiern. Das Dossier informiert über die Bedeutung von Weihnachten, bekannte Bräuche sowie spannende Hintergründe rund um das Fest.

Die Situation der Flüchtlinge sprachen weitere Oberhirten in ihren Interviews an Heiligabend an: der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mahnte in der Flüchtlingskrise mehr Solidarität innerhalb der Europäischen Union an. Auch Polen und andere Staaten müssten ihre Verpflichtungen einhalten, sagte Woelki am Donnerstag im Deutschlandfunk. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker lobte, dass die Deutschen ein großes Engagement bei der Flüchtlingshilfe an den Tag legten. Die Pfarreien zeigten enorme Hilfsbereitschaft, sagte er der in Bielefeld erscheinenden Zeitung "Westfalen-Blatt".

Dabei profitierten sie aber auch selbst von der Entwicklung: "Die Flüchtlingshilfe hat positive Rückwirkungen auf das Gemeindeleben. Durch die Zuwanderung fremder Menschen geschieht eine Zuwendung, man ist weniger mit sich selbst beschäftigt." Zugleich sieht Becker Staat und Gesellschaft nicht ausreichend auf die langfristigen Herausforderungen der Flüchtlingsbewegungen vorbereitet. "Ich kann nicht erkennen, wie der Staat mit dem Phänomen der Migration umgehen will, das uns auf Dauer beschäftigen wird", sagte er. Aktuelle Maßnahmen seien das eine. "Bei den strategischen Überlegungen aber, was wir als Einwanderungsland zu bewegen haben, scheint mir noch viel Ratlosigkeit zu herrschen." (mit Material von KNA)

Von Agathe Lukassek