Papst berichtet von Anruf der Kanzlerin im Jahr 2014

Zeitung: Merkel rief aufgebracht bei Franziskus an

Veröffentlicht am 09.02.2016 um 09:50 Uhr – Lesedauer: 
Papst Franziskus empfängt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 21. Februar 2015 in einer Privataudienz im Vatikan.
Bild: © KNA
Medien

Rom ‐ Papst Franziskus hat von einem aufgeregten Anruf von Angela Merkel berichtet: Die Bundeskanzlerin habe nach einer Rede des Pontifex angerufen um sich Luft zu verschaffen. "Sie war ein bisschen verärgert." Merkel bestreitet das Telefonat jedoch.

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Merkel habe ihn im November 2014 kurz nach seiner Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg angerufen, so Franziskus weiter: "Sie fragte mich, ob ich wirklich denke, dass Europa keine Kinder mehr bekommen könne." Er habe ihr geantwortet, das sei immer noch möglich, weil Europa "starke und tiefe Wurzeln habe". Denn es habe "eine einzigartige Geschichte" und verkörpere eine große Kultur und Tradition. Gerade in den "dunkelsten Momenten" habe Europa zudem "immer ungeahnte Ressourcen gezeigt", so der Papst laut "Corriere della Sera".

Sein Blick auf den alten Kontinent sei keineswegs pessimistisch, betonte Franziskus - auch mit Blick auf den Karlspreis, den er am 6. Mai in Rom entgegennehmen wird. Dabei werde er sicher eine Rede voll "großer Zuneigung" halten. In Straßburg habe er ja neben manch kritischem Wort auch betont, dass ein Europa mit seinen religiösen Wurzeln, seinem Reichtum und seinem Potenzial auch leichter immun sein könne gegen die vielen Extreme, die in der heutigen Welt weit verbreitet sind.

Franziskus: Europa wirkt nicht mehr vital

In einer seiner politischsten Reden hatte Franziskus in Straßburg ein ungeschminktes Bild eines Europa gezeichnet, das dabei sei, seine Vision und seine Identität zu verlieren: "In vielen Bereichen haben wir heute den Eindruck von Verzagtheit und Alterung, von einem Europa, das wie eine 'Großmutter' wirkt, nicht länger fruchtbar und vital." Ein vergreisender Kontinent scheine sein Selbstbewusstsein und seinen Optimismus verloren zu haben, je mehr sich sein fortschreitender Machtverlust in der globalisierten Welt abzeichne. Die Bürger verlören zudem in der wirtschaftlichen Krise das Vertrauen in die EU-Institutionen. Dabei, so Franziskus damals, bleibe die europäische Einigung ein großartiges Projekt des Friedens und der Solidarität.

Der Vatikan äußert sich unterdessen nicht zum Bericht über das angebliche Telefonat. Private Äußerungen des Papstes zu Besuchern würden vom Vatikan grundsätzlich weder dementiert noch bestätigt, heißt es dazu am Dienstag auf der Internetseite von Radio Vatikan: "Dem Papst, der sich vor allem als Seelsorger versteht, liegt viel an einem Raum der Freiheit, wo nicht jedes seiner Worte auf die Goldwaage gelegt wird."

Sprecher: Merkel kann sich an Telefonat nicht erinnern

Unterdessen berichtet die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch), es habe das angebliche Telefonat zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Papst Franziskus über den Zustand Europas nie gegeben. "Die Bundeskanzlerin kann sich an einen Anruf beim Papst nicht erinnern", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert der Zeitung: "Ansonsten schätzt sie jede Begegnung mit ihm außerordentlich." (kim/KNA)

09.02., 12:55 Uhr: Ergänzt um die Meldung zur Zurückhaltung des Vatikan
09.02., 17:05 Uhr: Ergänzt um die Aussagen von Regierungssprecher Seibert

Linktipp: "Franziskus setzt Zeichen"

Der Karlspreis für Verdienste um Europa geht an einen Argentinier: Papst Franziskus. Dompropst Manfred von Holtum vom Direktorium des Karlspreises erzählt, wie es zur Entscheidung kam – und ob der Papst vielleicht doch noch nach Aachen kommt.