Französische Bischofskonferenz gibt keine Wahlempfehlung

Messias der Mitte vs. Rechtspopulistin

Veröffentlicht am 06.05.2017 um 18:15 Uhr – Lesedauer: 
Frankreich

Paris ‐ Rechts oder Mitte? Die Französische Bischofskonferenz schlägt sich - anders als katholische Organisationen in Frankreich - nicht auf eine Seite. Sie vertraut bei der Stichwahl auf das Urteilsvermögen der Gläubigen.

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Die Franzosen haben am Sonntag die Wahl zwischen einer Rechtspopulistin, die alle religiösen Zeichen in der Öffentlichkeit verbieten möchte, und einem jungen Politstar, der von Medien auch als Messias der Mitte beschrieben wird. Nachdem der Katholiken-Liebling Francois Fillon im ersten Wahlgang knapp ausgeschieden ist, ist das Feld offen.

Die Französische Bischofskonferenz weigert sich, eine Wahlempfehlung abzugeben. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Georges Pontier, betonte, dies hätten die Bischöfe seit 45 Jahren nicht getan. Es gebe keinen "katholischen" Stimmzettel, so Pontier. Kein Wahlprogramm beziehe alle Prinzipien der Kirche wie etwa die Menschlichkeit, die Bedeutung der Familie und die Gewissensfreiheit mit ein.

Er gesteht der Religion einen Raum zu, sie nicht

Das Thema Religion bewegt die Franzosen - auch im Wahlkampf. Inwieweit darf der persönliche Glaube mit ins Arbeitsumfeld, in die Öffentlichkeit wirken? Sollen Musliminnen am Strand im Burkini baden dürfen? Darf man vor Weihnachten christliche Krippen in Rathäusern aufstellen? Wenn es nach Le Pen geht sind Kippa und Kreuz im öffentlichen Raum bald verboten. Eine Ausnahme macht sie für Priester und Rabbiner. Sie dürfen sich auch weiterhin mit religiösen Symbolen zeigen. Die Ehe für Homosexuelle, die Ministerin Christina Taubira einführte, will sie rückgängig machen. In Zukunft soll es für gleichgeschlechtliche Paare nur noch eine "verbesserte" eingetragene Partnerschaft geben. Die bestehenden Gesetze zur aktiven Sterbehilfe, Leihmutterschaft und Abtreibung will sie nicht verändern.

Bild: ©AG photographe/Fotolia.com

Am Sonntag stimmt Frankreich ab - manche aber nicht. Zum Thema Wahlverweigerung gab es Positionen aus der oberen Kirchenetage.

Gegenkandidat Emmanuel Macron ist bei diesen Themen zumindest kein Radikalliberaler. Nur ein bioethisches Anliegen äußerte er im Vorhinein: Er möchte die künstliche Befruchtung auch für Lesben und alleinstehende Frauen ermöglichen. Bisher kann sie nur von schwulen Paaren in Anspruch genommen werden. Gegen Leihmutterschaft sprach er sich klar kurz vor der ersten Wahlrunde aus. Macron hielt sich bedeckt im Wahlkampf zu familiären und ethischen Themen. Nicht anecken bei den Katholiken, war seine Devise. Im Gegensatz zu Le Pen, die den Islam gerne aus der Gesellschaft verbannen würde, gesteht er der Religion einen gewissen Raum zu. In der Republik seien Staat und Religion streng getrennt, nicht jedoch in der Gesellschaft.

Aktiv verankert in der Gesellschaft sind viele katholische Organisationen. 32 von ihnen sprachen sich in einer Anzeige in der französischen Zeitung "La Croix" klar gegen Le Pen aus. Sie setzen sich für die Vielfalt in der Gesellschaft ein. "Ergebt euch nicht der Versuchung der Isolation", schreiben sie und rufen zu einer Debatte über die wirklichen Probleme auf.

Wenige Bischöfe brachen die Stille

Die meisten französischen Bischöfe schwiegen bis vor ein paar Tagen. Keiner sprach sich für oder gegen einen Kandidaten aus. Der Erzbischof von Poitiers, Pascal Wintzer, und der Bischof von Troyes, Marc Stenger, brachen die Stille. Der Stimmzettel des Hasses, der Angst und Ausgrenzung stehe entgegengesetzt zum Evangelium, bezog Stenger Position.

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In Frankreich bröckelt die traditionelle Bindung von praktiziertem Katholizismus und der Wahl bürgerlicher Parteien. Die Zahl der Front-National-Wähler unter ihnen hat sich vervielfacht. Eine Analyse vor dem zweiten Wahlgang. (Artikel vom Dezember 2015)

Auch zum Thema Wahlverweigerung gab es Positionen aus der oberen Kirchenetage. In einem Interview mit dem Magazin "Famille Chretienne" sprach sich der Erzbischof von Straßburg, Luc Ravel, gegen die Abgabe des Stimmzettels ohne Wahl aus - auf Französisch "vote blanc" genannt. Ravel zufolge entscheide sich derjenige dafür, dass die Stimme nichts gilt. Der Bischof von Le Havre, Jean-Luc Brunin, ging noch weiter. Er kritisierte die leere Stimmabgabe als "puristisches" und "kompromissloses" Verhalten. Auch Pontier betont, wie wichtig es für die Katholiken sei, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. "Wir haben die Chance, in einer Demokratie zu leben, unsere Wahl zählt", so Pontier.

Wie die Katholiken sich am Sonntag entscheiden, das überlässt die französische Bischofskonferenz den Gläubigen. Sie vertraut auf deren Urteilsvermögen. Bereits Immanuel Kant philosophierte Ende des 18. Jahrhunderts über die Fähigkeit, sich ein Urteil über einen Sachverhalt zu bilden. Er sah die Urteilskraft als ein Zusammenspiel aus Gefühl und Vernunft.

Von Franziska Broich (KNA)