Murren ist keine Problemlösung
HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Impuls von Schwester Birgit Stollhoff
Ich muss gestehen: Ich murre ja gerne mal. Murren, motzen, meckern, mosern, nörgeln, lamentieren, granteln, schimpfen – es gibt viele Worte. Am lustigsten dazu finde ich die Zeichnungen in Comics von Fäusten, dunklen Wolken, Blitzen oder gar Totenköpfen oder nur die Worte "Grrrr" oder "Grummelgrummel".
Murren gehört zur menschlichen Kommunikation! Das kleine Problem ist nur: Es ist so nützlich wie das Wippen im Schaukelstuhl. Man wird Energie los, kommt aber nicht vorwärts. Oder, um es mit dem Vorschlag eines Politikers zu sagen: wie eine App, um Funklöcher zu melden – ich äußere meinen Ärger und kann sicher sein, dass nichts geschieht. Murren zeigt, dass ein Bedürfnis oder eine Erwartung nicht erfüllt wird. Oder dass ich etwas nicht verstanden habe und mir jetzt nicht dumm vorkommen möchte. Murren ist noch keine Problemlösung. Aber wer gegenüber dem Anderen offen murrt, macht zumindest einen Dialog möglich.
So ähnlich geht es auch den Juden hier gegenüber Jesus: "Was textet der uns da zu? Was soll das Gerede vom 'wahren Brot vom Himmel'? Und was bildet der sich ein? Früher, ja früher in der Wüste war die Sache mit dem Brot noch verständlich – gutes essbares Manna vom Himmel." Jesus hat da einen schweren Stand und ist auch nicht wirklich erfolgreich, wie das fortgesetzte Murren zeigt.
Die Bibel ist hier ein wenig wie ein Krimi aufgebaut, in dem die aktuelle Erzählhandlung durchbrochen wird von einzelnen Rück- oder Vorausblenden aus einer anderen Zeit, meist auch aus Sicht eines anderen Ich-Erzählers. Dieses Nebeneinander zweier Zeiten und Wahrnehmungen erzeugt Spannung. Im Plot, der Auflösung, treffen dann beide Zeiten aufeinander, beide Handlungsstränge lösen sich auf und werden so verständlich. Jesus spricht hier aus der Sicht desjenigen, der das Ende und seine Identität schon kennt. Er versteht sein Leben und sein Dasein vom Ende her, von Kreuz und Auferstehung.
Die Juden können dagegen nicht verstehen, was Jesus sagt, trotz des Gespräches. Ohne das letzte gemeinsame Mahl, seinen Tod und seine Auferstehung bleibt das alles schwer nachvollziehbar. Erst das Ende, das wir Leser schon kennen, erklärt das Bild von Jesus als wahrem Brot vom Himmel. Die Juden können es nur glauben, oder besser: sich von Gott den Glauben schenken lassen. Das betont Jesus: Auf die Haltung des Glaubens kommt es hier an, denn nur Gott schenkt den Glauben. Und nur glaubend können die Menschen Jesus annehmen und so das Heil "wie Brot" empfangen.
Abwarten und glauben können oder sich ärgern, weil man die Antwort nicht versteht: gegenüber Gott passiert das Letztere relativ oft. Die verstorbene Ordensschwester Ruth Pfau hatte für solche Fragen eine "eschatologische Liste", unsicher, ob die Fragen nach dem Tod überhaupt noch relevant sein würden. Die murrenden Juden, Ruth Pfau und alle Verstorbenen haben ihre Antworten inzwischen. Und ich? Ich lese weiter im Bibel-Krimi und pflege nebenher meine persönliche "eschatologische Fragen-Liste". Und manchmal, da motze ich wieder, sogar im Gebet: "Grummelgrummelgrummel… Amen."