Nesthocker mit klaren Visionen
Die beiden verbindet viel. Sie sind etwa im gleichen Alter und gehören zu der ersten Generation, die den Massenmord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg nicht mehr selbst erlebt hat. Sie haben außerdem die gleichen Visionen für den Zentralrat und ähnliche Gedanken zur Situation der jüdischen Gemeinden in Deutschland. Ziel: Offenheit und Pluralismus des Judentums zu stärken. "Es ist mir wichtig, die Arbeit, die Herr Graumann so erfolgreich begonnen hat, fortzusetzen", sagt Schuster deshalb auch.
Schuster lobt seinen Vorgänger ausdrücklich für den personellen Umbau des Zentralrats - vor allem professioneller sei er dadurch geworden. Zudem habe er mit der Bundesregierung einen neuen Staatsvertrag ausgehandelt und so die finanziellen Hilfen verdoppeln können. Zudem habe er stark daran gearbeitet, das öffentliche Bild vom Judentum von den Themen Trauer und Gedenken an den Holocaust zu lösen und zu zeigen, dass Judentum auch zukunftsgewandt und fröhlich sein könne.
Wurzeln der Familie liegen in Deutschland
Josef Schuster wurde 1954 im israelischen Haifa geboren. Seine Eltern zogen aber nur wenig später wieder zurück nach Würzburg. Die Wurzeln der Familie liegen hier. Seit Jahrhunderten lebt sie schon in Unterfranken. Sein Vater überlebte mehrere Konzentrationslager und baute in den 1970er-Jahren in Würzburg eine Synagoge auf. Und obwohl Schusters Eltern ihre Religion traditionell gelebt haben, war schon seine Kindheit von Offenheit bestimmt: "Meine Eltern waren sicherlich religiöser, als ich es bin, sie hatten aber als Hausrabbiner den zum damaligen Zeitpunkt einzigen liberalen Rabbiner in Deutschland. Ich bin ich auch von Haus aus eigentlich sehr offen geprägt."
Schuster ist seit fast 32 Jahren verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Und er ist Würzburger im Herzen. Kindergarten, Schule, Medizinstudium, Arzt-Ausbildung zum Internisten - alle wichtigen Schritte im Leben geht er in Unterfranken. Und das wird auch so bleiben, sagt er. Eine Zeitung beschrieb ihn mal als Nesthocker, "das fand ich ganz amüsant und auch irgendwie passend".
Seine Praxis im Herzen der Residenzstadt werde er deshalb unverändert weiterführen. "Beim Präsidentenamt handelt es sich um ein Ehrenamt. Es ist also notwendig, dass man einen Hauptberuf ausübt, denn irgendwo müssen die Brötchen her kommen", erklärt er ganz pragmatisch. Nebenbei engagiert er sich zudem als Arzt bei der Wasserwacht und im Rettungsdienst.
Seit 2010 Vizepräsident des Zentralrats
Dass sich mit dem Vorrücken an die Spitze des Zentralrats der deutschen Juden dennoch einiges in seinem Alltag verändern wird, ist ihm bewusst. "Ich denke, ich werde gerade auf bayerischer Ebene versuchen, noch mehr zu delegieren", sagt Schuster, der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern und Vorsitzender der Kultusgemeinde in Würzburg und Unterfranken ist.
Schuster gilt als ruhiger Denker. "Josef Schuster ist ein sehr bedächtiger Mann, der seine Schritte immer abwägt", sagt der deutsch-jüdische Historiker Michael Wolffsohn. "Die jüdische Gemeinschaft war, ist und bleibt pluralistisch. Das ist ihre Faszination. Josef Schuster ist ausgewogen, bedächtig und offen genug, um die unterschiedlichen Strömungen zu einem vernünftigen Dialog zusammen zu führen, der die Kontinuität des jüdischen Lebens garantiert."
Das wissen auch liberale Juden zu schätzen. "Wir erwarten von Dr. Schuster Kontinuität, da er zusammen mit seinem Vorgänger Dr. Graumann aktiv den Prozess der Öffnung des Zentralrats gegenüber dem liberalen Judentum betrieben hatte", sagt Jan Mühlstein, Vorstandsvorsitzender der Liberalen Jüdischen Gemeinde Beth Shalom in München.
Von Christiane Gläser (dpa)