Leiter des Katholischen Büros Sachsen über ein Jahr Pegida

"Nur Reden hilft"

Veröffentlicht am 19.10.2015 um 16:15 Uhr – Lesedauer: 
Bistum Dresden-Meißen

Dresden ‐ Ein Jahr nach der Gründung von Pegida erwartet Dresden heute Zehntausende Demonstranten. Während die Kirchen vor Ort mit einem Friedensgebet ein Zeichen setzen, warnt Christoph Pötzsch, Leiter des katholischen Büros Sachsen, vor falschen Berührungsängsten.

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Das gelte allerdings nicht für Meinungsführer wie Lutz Bachmann. Es sei Aufgabe der Kirche, diese "Leute nicht zu radikalisieren, sondern mit ihnen zu reden, sie abzuholen", betonte Pötzsch. "Es sind Bürger wie Du und ich dabei, die aus der bürgerlichen Mitte stammen", so der Ordinariatsrat weiter.

"Demokratieverständnis stärken"

Demokratie lasse sich nur begrenzt auf der Straße lernen, sagte Pötzsch angesichts der angekündigten Pegida-Kundgebung sowie der Gegendemonstration "Herz statt Hetze". Durch "den Austausch von Sprechchören und das Hochhalten von Plakaten" ändere sich nichts. Er plädierte stattdessen für die verstärkte Einrichtung öffentlicher politischer Foren, um das Demokratieverständnis zu stärken.

Christoph Pötzsch ist Leiter des Katholischen Büros Sachsen.
Bild: ©Bistum Dresden-Meißen

Christoph Pötzsch ist Leiter des Katholischen Büros Sachsen.

Es gebe eine allgemeine "verbreitete Unzufriedenheit, die sich in Pegida kanalisiert", sagte Pötzsch. Diese Bürger hätten "den Eindruck, dass sie verwaltet werden", ohne etwas dagegen tun zu können. "Dieses Demokratieproblem, vor dem wir schon vor Jahren gewarnt haben, hat aber nicht nur Dresden, sondern zum Beispiel auch Köln", sagte Pötzsch mit Blick auf die niedrige Wahlbeteiligung am Sonntag bei den Kölner Kommunalwahlen.

Koch: Es gibt keine Alternative zur Integration

Am Rande der Familiensynode in Rom wies der Berliner Erzbischof Heiner Koch am Montag "den aggressiven Ton und Hass, den Pegida-Teilnehmer in Transparenten und Sprechchören und in ihrem Verhalten zum Ausdruck bringen", zurück. Zugleich äußerte er Verständnis für Ängste und Bedenken angesichts der hohen Zahl an Flüchtlingen. Wörtlich sagte der ehemalige Bischof von Dresden-Meißen: "Ich habe Verständnis dafür, dass wir eine kontroverse Diskussion darüber führen müssen, wie wir mit der großen Zahl von Flüchtlingen umgehen sollen. Niemand hat gesagt, dass uns die Integration leicht fallen wird, wir müssen die Ängste und Bedenken, die Schwierigkeiten sehr ernst nehmen."

Es gebe aber keine Alternative zur Integration, "und wir schaffen das". Der Erzbischof betonte: "In den aus tiefer Not Fliehenden kommt Christus, der selbst Flüchtling war, auf uns zu. Auch deshalb dürfen wir die Flüchtlinge an den Grenzen nicht abweisen." Bis vor kurzem habe er die Hoffnung gehegt, Pegida habe sich erledigt, so Koch weiter. "Ohnehin konnte ich als 'Zugezogener' nicht verstehen, dass da, wo wir im vergangenen Jahr noch die friedliche Revolution in Deutschland gefeiert haben, sich solche ausgrenzenden Tendenzen manifestieren", sagte der gebürtige Düsseldorfer.

Zum ersten Jahrestag der Pegida-Bewegung erwartet die sächsische Polizei heute in Dresden Zehntausende Anhänger und Gegner der Gruppierung. Pegida-Chef Lutz Bachmann kündigte für die Kundgebung auf dem Theaterplatz vor der Semperoper zahlreiche internationale Gäste an. Unter dem Motto "Herz statt Hetze" will sich ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften, Vereinen und Initiativen dem entgegenstellen und in einem Sternlauf in die Altstadt ziehen.

Ökumenisches Gebet in der Kreuzkirche

Evangelische und katholische Kirche veranstalten ein ökumenisches Friedensgebet in der Kreuzkirche. Diese Art des Protestes sei "eine bewährte und gute Form, die uns als Kirchen entspricht", sagte der katholische Dresdner Bistumssprecher Michael Baudisch. Das Friedensgebet findet den Veranstaltern zufolge seit Anfang der 90er Jahre einmal wöchentlich mit wechselnden Intentionen statt. Nach der Gründung von Pegida stieg die Zahl der Teilnehmer nach Angaben der Organisatoren vorübergehend deutlich an.  (gho/KNA/kim)

20.10.2015, 18:10 Uhr: Ergänzt um das Statement von Erzbischof Koch.