Ökumenisches Brotbrechen auf dem Kirchentag
"Wir können sagen, dass Dialog diesen Kirchentag geprägt hat", sagte Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au am Samstag zum Abschluss des Kirchentags in Berlin. Sie bezog sich damit auf Kontroversen mit Andersdenkenden, wie etwa der AfD, und den Austausch mit dem Islam. Aber wie hat der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) die Ökumene geprägt? Bei Kirchentagsbesuchern fällt die Bilanz positiv aus – obwohl die Ökumene im offiziellen Programm der Veranstalter keine zentrale Rolle spielte.
Ein ökumenischer Höhepunkt war die "orthodoxe Vesper in ökumenischer Gemeinschaft" am Freitagabend auf dem Gendarmenmarkt. Dabei wurden an die rund 2.000 Teilnehmer gesegnete Brote ausgeteilt. Der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, der griechische Metropolit Augoustinos, Erzpriester Radu Constantin Miron aus Köln und Chöre der serbischen, griechischen, äthiopischen, koptischen und syrischen orthodoxen Gemeinden gestalteten die Feier. Angesichts des Terroranschlags auf eine koptische Pilgergruppe in Ägypten mit 29 Toten wurde still der Toten gedacht.
Orthodoxe fordern ihren Platz auf dem Kirchentag
Dieser Ritus des Brotbrechens, auf griechisch "Artoklasia" genannt, erinnert an die biblische Erzählung der Speisung der 5.000 durch Jesus. Er wurde bereits beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München im Jahr 2010 gefeiert. Beim letzten Kirchentag in Stuttgart allerdings nicht: Dort war die orthodoxe Kirche nicht vertreten. Offiziell sprach man damals von einem Missverständnis. Doch dass der Schmerz darüber noch immer tief sitzt, macht der Berliner Archimandrit Emmanuel Sfiatkos am Ende der Feier noch einmal deutlich: Nach diesem Abend dürfe es nicht mehr vorkommen, dass die orthodoxen Kirchen nicht zum Kirchentag eingeladen werden, sagte er vor dem Abschlussgebet. Und gegen eine prominentere Platzierung im Programm dürften die Orthodoxen zukünftig sicher nichts einzuwenden haben: Metropolit Augoustinos wirkte weder bei einem der Eröffnungsgottesdiensts mit, noch ist er im Programm zum Schlussgottesdienst in Wittenberg als Mitwirkender aufgeführt.
Prominente Vertreter der katholischen Kirche tauchten auf wenigen Podien auf. Nur vier von über 60 der dezentralen "Feierabenmahle" am Freitag wurden explizit "in ökumenischer Weite" begangen. Erst am Samstag gab es einen "Thementag Ökumene", der in Zusammenarbeit mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken ausgerichtet wurde. Der "Tag" beschränkte sich allerdings auf die zwei je zweistündige Veranstaltungen in der Französischen Friedrichstadtkirche. In den Veranstaltungszentren "Juden und Christen" und "Muslime und Christen" gab es immerhin drei Tage durchgängig Programm.
Rahner wünscht sich "weniger verklärende Erinnerung"
Zum Auftakt des Thementags wandte sich die katholische Tübinger Theologin Johanna Rahner gegen eine konfessionelle Vereinnahmung der Reformation. "Die reformatorischen Grundprinzipien gehören keiner einzelnen Konfession exklusiv, sondern allen." Mit Blick auf die Diskussionen zur Vorbereitung des Gedenkjahrs 2017 resümierte sie: "Weniger Geschichtspolitik, weniger verklärende Erinnerung hätte dem Reformationsjubiläum gut getan."
Offizielle ökumenische Veranstaltungen mit katholischer Beteiligung setzten über Jahre bewährte Traditionen fort. So etwa der Gottesdienst mit Beteiligung des katholischen Ortsbischofs zu Christi Himmelfahrt oder der ökumenische Gottesdienst vor dem DFB-Pokalfinale, das dieses Jahr auf denselben Termin wie der Kirchentag fiel. Bekannte Katholiken und Bischöfe nahmen darüber hinaus fast nur an Dialog-Bibelarbeiten teil. ZdK-Präsident Thomas Sternberg und der katholische Prior der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Frère Alois, zählten dazu. Aber auch zwei katholische Bischöfe, die ihre Bibelauslegung in ökumenischer Zusammenarbeit präsentierten: Am Freitag trat Kardinal Reinhard Marx gemeinsam mit seinem Münchner Kollegen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm auf, am Samstag dann machten die beiden Berliner Oberhirten, der evangelische Landesbischof Markus Dröge und Erzbischof Heiner Koch, ihre Bibelarbeit.
Dröge betonte dabei, viele Herausforderungen könnten die Christen hier in der evangelischen Kirche und im Erzbistum Berlin nur ökumenisch bewältigen. Dies sei mittlerweile selbstverständlich. Gleichzeitig wüssten sie, dass auch die Ökumene wieder neue Impulse brauche und wieder neu an den Themen arbeiten müsse, die noch ungeklärt seien. Bei Marx und Bedford-Strohm ging es um die Zwillinge Esau und Jakob, die viele Jahre zerstritten waren, weil sie beide auf das Erstgeborenenrecht und den Segen ihres Vaters aus waren. Im Unterschied zum Brüderpaar müssten Protestanten und Katholiken heute nicht um den Segen konkurrieren, meinte Bedford-Strohm, sondern könnten ihn gemeinsam erhalten. Der Segen Gottes sei "in Fülle da".
Greifbar wurde die Ökumene vor allem an der Basis: Berliner Katholiken boten ihren evangelischen Glaubensgeschwistern Unterkünfte an und nahmen auch selbst an Veranstaltungen des Kirchentags teil. Auf dem "Markt der Möglichkeiten" im Messezentrum gab es dafür einen großen Bereich, in dem sich ökumenische Gruppen, Vertreter anderer christlicher Kirchen und katholische Orden präsentierten. Das Erzbistum Berlin hatte für Kirchentagsbesucher eine "Ruheoase" an der Hedwigskathedrale und eine Schifffahrt auf der Spree im Angebot. Bei den protestantischen Passagieren kam der "ökumenischen Blick" vom Sonnendeck des "Kirchenschiffs" sichtbar gut an.
Papst Franziskus öffnet Türen
Vielerorts war auch von Papst Franziskus die Rede. So war er am gemeinsamen Stand der Jesuiten und der Congregatio Jesu oft Türöffner zum Gespräch, sagt Jesuitensprecher Thomas Busch: "Ich glaubte fast, die Evangelischen mögen Franziskus mehr als manch ein Katholik." Auch Schwester Birgit Stollhoff zieht eine positive Bilanz: Sie habe auf dem Kirchentag viel Wohlwollen gegenüber den ignatianischen Gemeinschaften erfahren. Das Verbindende sei betont worden. So habe eine Teilnehmerin gesagt, dass Luther und Ignatius beide die Erneuerung der Kirche gewollt hätten, ersterer eine strukturelle, der zweite sein spirituelle. In der Diaspora von Berlin sei es für sie ein gemeinsamer Kirchentag gewesen und ein politischer, in dem Christen aller Konfessionen gezeigt hätten, was sie auch in gesellschaftlichen Debatten verbinde, so die Ordensfrau. Und das lässt sich schließlich schwer in ein Programm schreiben. (mit Material von KNA)