"Osteuropa nicht geringschätzen"
Frage: Herr Bischof, der Weltjugendtag in Krakau steht kurz bevor und ist dem Bistum Görlitz so nah wie keiner anderen deutschen Diözese. Was bedeutet dieses christliche Großevent für Ihr Bistum?
Ipolt: Das wird unsere Nachbarschaft und Freundschaft zu den Gläubigen in Polen hoffentlich weiter vertiefen. Unsere Jugendlichen werden bereits eine Woche vor dem Weltjugendtag im Nachbarbistum Zielona Gora, dem früheren Grünberg, sein. Dort werde ich auch selbst an einer Begegnung gemeinsam mit dem Bischof von Zielona Gora teilnehmen.
Frage: Spielt die besondere deutsch-polnische Historie noch irgendeine Rolle im Verhältnis zwischen den Jugendlichen aus beiden Ländern?
Ipolt: Das hat sich bei der jüngeren Generation normalisiert. Die früheren Feindseligkeiten, die aus dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangen sind, die gibt es bei der jungen Generation eigentlich nicht mehr. Mit Blick auf die Geschichte ist viel Versöhnung gewachsen.
Frage: Wie ist es denn um das Geschichtsbewusstsein der Jugendlichen heute bestellt?
Ipolt: Was die deutsch-polnische Geschichte betrifft, ist es bei den Jugendlichen in unserem Bistum und auf der polnischen Nachbarseite, denke ich, ganz gut bestellt. Das liegt auch daran, dass viele vor allem katholische Jugendliche aus Familien kommen, die seinerzeit aus Schlesien vertrieben worden sind. Das ist sicher auch heute noch immer wieder Thema in den Familien.
Frage: Man sagt den Polen häufig eine besondere Frömmigkeit nach. Trifft das auf die Jugendlichen auch zu - und können sich die Deutschen da noch Anregung holen?
Ipolt: Ob sie frömmer sind, das weiß ich gar nicht so. Das sollte man nicht bewerten. Es ist sicher eine andere Form des Zugangs zum Glauben. Auch die katholische Erziehung spielt da eine große Rolle. Darüber wird es sicher beim Weltjugendtag einen Austausch geben. Unsere Jugendlichen leben in der Diaspora und entscheiden sich ganz bewusst für den Glauben - eine solche persönliche Entscheidung wird einem polnischen Jugendlichen in dieser Weise nicht abverlangt. Dort gibt es eine stärkere katholische Tradition, von der man getragen wird, die sich freilich heutzutage auch immer neu bewähren muss.
Frage: Sie hoffen also auf eine Bestärkung, die junge Gläubige aus der Diaspora beim Weltjugendtag in Polen erleben?
Ipolt: Der Weltjugendtag ist da sicher eine große Hilfe. Es ist für unsere Jugendlichen aus der Diaspora schön zu erleben: Wir sind nicht nur wenige, sondern wir haben Schwestern und Brüder in allen Ländern der Erde. Der Papst, der ja auch kommt, wird sicher noch eine zusätzliche Bestärkung sein. Ich bin mir sicher, dass er Worte findet, die die Jugendlichen ansprechen.
„Er ist gerade für uns Deutsche ein Zeichen der Solidarität und der Gemeinsamkeit mit unseren Nachbarn.“
Frage: Seit in Polen vor gut sieben Monaten die Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) an die Regierung kam, gab es viel Kritik und Distanzierung. Denken Sie, dass das auch eine Rolle beim Weltjugendtag spielen wird?
Ipolt: Vielleicht. Gerade in der jetzigen Situation, wo die Polen etwas isoliert sind, weil sie Entscheidungen treffen, die in Europa nicht verstanden werden, ist der Weltjugendtag von großer Bedeutung. Er ist gerade für uns Deutsche ein Zeichen der Solidarität und der Gemeinsamkeit mit unseren Nachbarn. Wir wissen, dass es beim Weltjugendtag jetzt auch Abmeldungen aus Deutschland gibt - das hat sicher mit Ängsten vor Attentaten zu tun, aber vermutlich auch mit der politischen Situation im Land. Umso wichtiger ist unsere Teilnahme. Wir brauchen den Dialog und Austausch - gerade jetzt!
Frage: Insgesamt bleiben die deutschen Anmeldezahlen hinter den Erwartungen zurück. Mit 15.000 bis 20.000 Teilnehmer wird gerechnet.
Ipolt: Das finde ich schon sehr bedauerlich. Der Weltjugendtag findet in einem Land im Osten Europas statt, und man hat den Eindruck, dass manch einer denkt: Da muss man nicht unbedingt hinfahren, da ist nichts los. Es scheint für manche deutsche Jugendliche interessanter, nach Sydney oder nach Madrid zu fahren. Ich meine, dass wir die osteuropäischen Länder nicht geringschätzen dürfen. Deshalb finde ich die Wahl des Ortes für den Weltjugendtag richtig. Ich habe die Hoffnung, dass die Teilnehmer reich an Glaubenserfahrungen wieder nach Hause zurückkommen werden.