Papst: Einheit wichtiger als Eigeninteressen der Kirchen
Papst Franziskus hat beim Weltkirchenrat in Genf vor dem Schutz von Eigeninteressen auch in der Ökumene gewarnt. Ökumene sei "ein großes Verlustgeschäft", sagte er am Donnerstag vor der Organisation, die 350 christliche Kirchen weltweit vertritt. Um der Einheit willen gelte es, eigene Zwecke aufs Spiel zu setzen, "die oftmals eng an ethnische Zugehörigkeiten oder überkommene Vorstellungen gebunden sind, seien sie mehrheitlich 'konservativ' oder 'fortschrittlich'", so der Papst.
Franziskus sprach im Rahmen eines Gebetsgottesdienstes am Sitz des Weltkirchenrats. In der Feier beteten Vertreter unterschiedlicher christlicher Konfessionen um Vergebung für die Uneinigkeit der Christen und um Einheit. Anliegen waren auch der Friede, Respekt vor der Schöpfung und eine Überwindung der Trennungen von Rasse, Geschlecht, Alter und Herkunft.
Getrennte Christen sollen "in der Vergebung fortschreiten"
Der Papst betonte in seiner Rede, was nicht der Gemeinschaft diene, führe zu Kriegen und Zerstörung. "Die Welt, zerrissen von zu vielen Spaltungen, die vor allem die Schwächsten treffen, ruft nach Einheit", sagte er. Die getrennten Christen mahnte er dazu, "in der Vergebung fortzuschreiten". Dies gehe nicht "mit der dröhnenden Gangart der Machtanmaßung, sondern mit jener, die dem Rhythmus eines einzigen Gebotes folgt: 'Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst'".
Für Kirchenspaltungen und frühere Misserfolge in der Ökumene machte Franziskus "weltliches" Machtdenken unter Christen verantwortlich: "Zuerst versorgte man die Eigeninteressen, dann jene von Jesus Christus", so der Papst. Auch Versuche in der Vergangenheit, diese Trennungen zu überwinden, seien "elend gescheitert, weil sie sich hauptsächlich an einer weltlichen Logik orientierten".
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Der Papst sprach von einer "heimtückischen Versuchung" im Dialog der Kirche, "miteinander zu gehen, aber in der Absicht, irgendein Eigeninteresse durchzusetzen". Franziskus nannte dies eine Logik "des Judas, der zusammen mit Jesus wandelte, aber zum eigenen Vorteil". Ökumene könne nicht gelingen, wenn man das Eigene retten wolle, argumentierte Franziskus. Wer Christus nachfolgen wolle, müsse "mit heiliger Hartnäckigkeit den Weg des Evangeliums wählen und die Schleichwege der Welt ablehnen".
"Wie Jesus selbst lehrt, bringen nicht diejenigen, die anhäufen, im Weinberg des Herrn Frucht, sondern diejenigen, die dienen und der Logik Gottes folgen, der weiterhin schenkt und sich selbst schenkt", sagte der Papst. Dies sei eine "österliche Logik, die einzige, die Frucht trägt", so der Papst.
Papst sprach mit dem Bundespräsidenten über Migrationskrise
Der Papst war am Donnerstagmorgen in Genf eingetroffen. Begrüßt wurde er bei seiner Ankunft vom Schweizer Bundespräsidenten Alain Berset. Anschließend sprachen die beiden in einer als "privat" bezeichneten Unterredung in einem Flughafengebäude über die Migrationskrise in Europa. Franziskus und Berset hätten eine solidarische und gesamteuropäische Flüchtlingspolitik angemahnt, hieß es anschließend in einem Kommunique der Schweizer Bundesregierung. Bei dem folgenden offiziellen Gespräch erörterten Berset und Franziskus laut der Mitteilung Fragen der globalen Friedens- und Sicherheitspolitik.
Ein offizieller Empfang durch die politischen Institutionen der Schweiz war dagegen nicht vorgesehen. Nach dem ökumenischen Gebet am Vormittag standen am Nachmittag weitere ökumenische Gespräche auf dem Programm. Papst Franiskus sagte auf dem Hinflug vor Journalisten, sein Besuch solle eine "Reise zur Einheit" der Kirchen werden.
Anlass des eintägigen Besuchs ist die Gründung des Ökumenischen Rats der Kirchen (Weltkirchenrat, ÖRK) vor 70 Jahren. Dem Kirchenbund gehören heute weltweit 350 evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirchen mit rund 560 Millionen Mitgliedern an. Die katholische Kirche ist kein Vollmitglied, arbeitet aber mit dem ÖRK zusammen. (bod/KNA)
21.06.2018, 13.40 Uhr: aktualisiert um Inhalte des Gesprächs mit dem Bundespräsidenten