Franziskus kritisiert EU-Flüchtlingspolitik

Papst: Flüchtlingszentren wie Konzentrationslager

Veröffentlicht am 23.04.2017 um 10:55 Uhr – Lesedauer: 
Papst  Franziskus schaut ernst bei einem Gottesdienst zum neuen Jahr.
Bild: © KNA
Vatikan

Rom ‐ Lampedusa, Sizilien, Lesbos: Ausdrücklich würdigte der Papst die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen in Südeuropa. Dem Rest der EU warf Franziskus dagegen vor, "Selbstmord" zu begehen.

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Papst Franziskus hat die Zustände in den Flüchtlingsaufnahmezentren der EU mit scharfen Worten angeprangert. Viele von ihnen seien "Konzentrationslager, durch die Menge der Menschen, die sie dort drinnen lassen", sagte er am Samstagabend in Rom. Namentlich nannte Franziskus das Aufnahmezentrum auf der griechischen Insel Lesbos, das er im April 2016 besucht hatte.

Zugleich kritisierte der Papst die EU-Flüchtlingspolitik. Im Umgang mit Flüchtlingen schienen internationale Abkommen oft wichtiger zu sein als die Menschenrechte. "Menschen kommen hier an, in den großzügigen Ländern wie Italien und Griechenland, die sie aufnehmen, aber dann lassen die internationalen Verträge nicht mehr zu."

Papst kritisiert Ablehnung in Norditalien

Die Großzügigkeit des Südens, sagte der Papst weiter, solle den Norden "anstecken". Ausdrücklich nannte er Lampedusa, Sizilien und Lesbos. "Es ist wahr, wir sind eine Zivilisation ohne Kinder, aber wir schließen auch unsere Türen gegenüber Migranten. Das nennt man Selbstmord. Lasst uns deswegen beten!" Der Papst kritisierte zugleich die ablehnende Haltung norditalienischer Regionen und Kommunen gegenüber der Aufnahme von Flüchtlingen. "Wenn in Italien jede Stadt und Gemeinde nur zwei aufnehmen würde, so wäre für alle Platz", so der Papst.

Papst Franziskus trifft Flüchtlinge auf Lesbos.
Bild: ©KNA

Papst Franziskus traf während seines Besuchs auf der Insel Lesbos im April 2016 mit Flüchtlingen zusammen.

Anlass der Äußerungen war ein Gottesdienst zum Gedenken an die Märtyrer des 20. und 21. Jahrhunderts in der Kirche San Bartolomeo auf der Tiberinsel. Organisiert wurde er von der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio. Die Kirche wurde im Jahr 2002 von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) dem Gedenken an moderne Märtyrer unterschiedlicher Konfessionen gewidmet.

Getötet, weil sie ein Kruzifix trug

Als Beispiel für eine moderne Märtyrerin nannte Franziskus eine Frau, die von offenbar islamistischen Terroristen getötet wurde, weil sie ein Kruzifix trug und ihrem Glauben nicht abschwören wollte. Ihr muslimischer Ehemann sei danach mit den drei Kindern geflohen und habe ihm während seines Besuchs auf der Insel Lesbos davon berichtet, so der Papst. Diese namentlich nicht bekannte Frau fügte der Papst den modernen Märtyrern hinzu, an die in San Bartolomeo erinnert wird.

Während des Gottesdienstes sprach auch der Sohn des evangelischen Pfarrers und NS-Gegners Paul Schneider, der 1939 im NS-Konzentrationslager Buchenwald getötet wurde. Franziskus äußerte sich in seiner Predigt und nach dem Gottesdienst in einer kurzen Ansprache zum Thema Flüchtlinge. Er traf zudem mit einer Gruppe von Flüchtlingen zusammen, die über sogenannte humanitäre Korridore legal nach Italien eingereist sind. (bod/KNA)