Pater Nikodemus: Christen sollen keine Angst haben
Die durch einen Brandanschlag jüdischer Nationalisten teilweise zerstörte Brotvermehrungskirche im israelischen Tabgha soll am 12. Februar wiedereröffnet werden. Der Leiter der deutschsprachigen Dormitio-Abtei in Jerusalem, der Benediktiner Nikodemus Schnabel, berichtet im Interview mit dem katholisch.de-Partnerportal weltkirche.katholisch.de über die Solidaritätswelle für das Kloster, spricht über die Stimmung im Land vor Trump und warnt die christliche Minderheit dort vor Angst und Abschottung.
Frage: Pater Nikodemus, am 12. Februar wird das Kloster Tabgha wiedereröffnet. Mit welchem Gefühl blicken Sie auf die letzten Monate zurück?
Schnabel: Wir haben wahnsinnig viel Solidarität von allen Seiten erfahren. Ein erstes Gutachten hat den Schaden des Atriums unserer Brotvermehrungskirche auf mindestens 1,6 Millionen Euro beziffert. Besonders dank vieler Spenden konnten wir es sanieren. Hier möchte ich mich auch noch einmal ausdrücklich bei den vielen lieben Spendern aus Deutschland bedanken, die zum Wiederaufbau von Tabgha beigetragen haben: Gerade sie haben das Brotvermehrungsevangelium wieder konkret lebendig werden lassen. Auch eine Gruppe Rabbiner hat eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, aus Protest gegen die jüdischen Angreifer, die in dem Graffiti auf unser Kloster die Passage eines zentralen Gebetstextes verwendet hatten - eine neue Dimension, die die Rabbiner nicht hinnehmen wollten. Also haben sie unseren Wiederaufbau unterstützt. Da ist auf diesen Trümmern viel Freundschaft entstanden.
Frage: Was raten Sie den einheimischen Christen angesichts von solchen Angriffen?
Schnabel: Gerade die einheimischen Christen haben die Aufgabe, nicht in eine Angstspirale, eine Art "Selbstghettoisierung" zu verfallen. Viele von ihnen leben stark zurückgezogen, sind misstrauisch und meiden zu engen Kontakt mit Juden und Muslimen. Dabei gibt es nichts Unchristlicheres, als Angst zu haben. Sicher gibt es Anfeindungen, im Alltag wird vor mir ausgespuckt. Aber wie viele Juden und auch Muslime habe ich als Freunde! Ich könnte, wenn ich wollte, jeden Schabbat eine Einladung zum Essen wahrnehmen. Außerdem sind die Christen die am besten ausgebildete Gruppe im Land, sind Ärzte, Apotheker, gehören zur Elite. Sie wandern nicht immer nur aus, weil sie verfolgt werden, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen.
Frage: Wie sieht es bei den Christen aus, die nach Israel einwandern?
Schnabel: Diese christlichen Migranten haben noch mal ganz andere Probleme als die einheimischen Christen. Es gibt Arbeitsmigranten aus Sri Lanka, Indien, Philippinen, und Flüchtlinge aus Afrika. 60.000 von ihnen sind registriert, die Dunkelziffer ist aber höher. Denn viele tauchen unter, aus Angst, zurückgeschickt zu werden. Sie sind von der Gunst ihres Hauptarbeitgebers abhängig und nicht selten kommt es da auch zu häuslicher und sexueller Gewalt. Das sind zum Teil Martyrien, die diese Frauen erleben. Sie werden schwanger und zum Teil sind die Kinder früher auch gestorben. Dank der Verbesserung der Arbeit des Zentrums für die Migrantenpastoral - dem wir als Dormitio 2015 den Mount-Zion-Award verliehen haben - ist das zum Glück nicht mehr der Fall!
Frage: Ist es trotz ihrer Heterogenität und Minderheitenstellung möglich, dass Christen im Heiligen Land als Vermittler auftreten?
Schnabel: Ich finde, wir müssten den Christen im Heiligen Land noch viel stärker klar machen, dass wir eine transnationale Größe sind, die über Nationalismen hinausgeht. Christ wird man durch die Taufe. Zum Lateinischen Patriarchat gehört Zypern, Israel, Palästina und Jordanien! Beim Weltjugendtag rollen einige die Palästina- und andere die Israelflagge aus. Und natürlich hat ein Zypriot als Mitglied der EU andere Fragestellungen als der Flüchtling in Jordanien oder die philippinische Gastarbeiterin. Aber sie sind vereint durch die Taufe. Bevor wir zwischen Juden und Christen Brücken bauen, haben wir so viele spannende Hausaufgaben in unseren eigenen Reihen zu erledigen. Wenn wir die lösen, dann werden wir ein Leuchtturm für die Anderen sein.
Frage: Soeben ist Donald Trump als US-Präsident vereidigt worden. Wie schauen die politischen und religiösen Kräfte im Land auf den neuen Präsidenten?
Schnabel: Donald Trump sagt zunächst einmal "America first". Viele politische Beobachter sagen da aber: Israel sollte sich nicht zu früh freuen. Denn Trump sagt schließlich nicht "Israel first". Klar, das Fundament der israelischen Außenpolitik ist eine gute Beziehung zu Amerika. Und die ganz Rechten mögen sich sicher auf Trump freuen und sagen: Jetzt legen wir richtig los. Dass der Bürgermeister von Jerusalem begeisterter Trump-Fan ist und eine Welcome-Trump-Kampagne gestartet hat, überrascht nicht. Aber viele politische Beobachter warnen vor der Annahme, Israel habe mit Trump jetzt einen Freifahrtschein für jede Politik. Einer der wichtigen Berater von Donald Trump ist ja auch maronitischer Christ, der auch noch mal seine eigene Sicht auf die Dinge hat.