Pediküre für Obdachlose

Es ist Samstagvormittag , Sandra ist zu Gast beim "Wohlfühlmorgen" des Malteser Hilfsdienstes. Lange Reihen von Biertischen mit Tassen, Tellern und Besteck stehen einem riesigen Büffet mit Brot, jede Menge Aufschnitt, Müsli, Süßem, Kaffee und Saft gegenüber. Doch nicht nur ein reichhaltiges Frühstück bieten die Malteser an diesem Tag armen und obdachlosen Menschen an, sondern auch die Gelegenheit, zu duschen, sich neu einzukleiden, ärztlichen Rat bei Medizinern einzuholen oder einfach ein Stück Luxus zu genießen: Wer will, der kann eine ausführliche Fußpflege genießen. Rund sechs Mal im Jahr organisiert der katholische Hilfsdienst solche Wohlfühlmorgen allein in Düsseldorf, in Städten wie Hamburg, Bremen und Köln gibt es ähnliche Veranstaltungen.

Die Frau mit dem dunkelblauen Shirt ist die 55-Jährige Chefarztsekretärin Petra Odenweller. Sie ist seit 38 Jahren bei den Maltesern und hält an diesem Morgen die organisatorischen Fäden in der Hand. Immer wieder läuft sie zwischen Frühstücksraum und Küche hin und her, koordiniert die rund 30 Helfer, die in der Turnhalle das Essen zubereiten. Die älteste von ihnen, die Düsseldorferin Erika Wagner, ist 93 Jahre alt und sortiert Brot in die dafür vorgesehenen Körbe. Rund 250 Menschen sind an diesem Tag gekommen. "Wohnungslose , Hartz-IV-Empfänger und Menschen mit Migrationshintergrund, vor allem aus dem russischen Raum", zählt Petra Odenweller auf. Die meisten kommen regelmäßig. Es ist nicht nur Sandra, die Petra Odenweller mit Namen begrüßt.

Pediküre für geschundene Füße

Ein 65-jähriger Mann sitzt mit nackten Füßen, die unter eine dicken Schicht Creme fast verschwinden, im Keller der Turnhalle in einem bequemen Stuhl und genießt seine Fußbehandlung. "Ich komme her, weil ich kaum Mittelchen habe", sagt er, mehr über sich will er nicht verraten. Fußpflegerin Renate Schönwälder behandelt seine Nägel, entfernt die reichlich vorhandene Hornhaut vom Fußballen. "Sie haben das volle Programm gebucht und das sollen Sie haben", erklärt sie lachend. Der nächste Gast wartet schon und weicht als Vorbereitung seine Füße in einer Wasserschüssel ein. Auch ein Paar neue Socken sind nach so einer Prozedur drin.

Sandra lässt sich an diesem Morgen nicht die Füße behandeln. Die lebhafte Frau mit der Kette, dem Armband und den Ohrringen erzählt offen und ohne Berührungsängste ihre Geschichte. Es gab einen Punkt in ihrem Leben, da wurde sie zunehmend verzweifelt: Depression hatte sie und Angstzustände, lebte in einer verkommenen, feucht-schimmeligen Wohnung, die ihre psychischen Probleme noch verstärkte: "Irgendwann war einfach alles besser als diese feuchte Wohnung", erklärt Sandra.

Das war der Beginn ihres Lebens auf der Straße: "Und Frauen haben es in dieser Situation nochmal schwerer als Männer", sagt sie mit einem nachdrücklichen Blick. Inzwischen hat sie zwar ein Bett zum Schlafen, eine eigene Wohnung ist das aber immer noch nicht. Sie bewohnt ein Zimmer in einer Notunterkunft – und ist jeden Tag mehrere Stunden unterwegs, um ihrem Job nachzugehen. Sandra verkauft seit 2007 mit die Obdachlosen Zeitung "Fifty-Fifty": "Das macht einfach Spaß", sagt sie und sei viel besser als Flaschensammeln. Auch an diesem Morgen hat sie einige Exemplare dabei, die sie geschickt und geschäftstüchtig anbietet.

Buffet und medizinische Hilfe

Derweil rüsten die Helfer das Buffet immer wieder nach. In der Küche dampfen vier Filterkaffeemaschinen vor sich hin, in schwarzen Styroporbehältern stapeln sich Plastikpackungen mit Gouda und Salami, leere silberne Tabletts warten darauf, wieder beladen zu werden, gerade befüllte wandern mit Tomaten und Mozarella ans Buffet. "Wir bekommen bei den Lebensmittel viel Unterstützung", erklärt Petra Odenweller und zählt die Firmen auf, von denen die Malteser Brot, Milchprodukte, Duschgel und Haarwaschmittel beziehen. Doch trotz dieser Hilfe bedeutet der Wohlfühlmorgen für die Ehrenamtlichen einen großen finanziellen und zeitlichen Aufwand. Gut eine Woche dauerten die Vorbereitungen. Plakate, die auf die Veranstaltung hinweisen müssen ausgehängt, Einkäufe erledigt und Ausstattung wie Bierbänke besorgt werden: all das erledigt sich nicht von selbst.

Besonders wichtig ist den Maltesern das medizinische Angebot, zu dem auch eine zahnmedizinische Erstversorgung gehört. Bei den meisten Wohlfühlmorgen kommt sogar ein Medizinmobil zum Einsatz, das wie eine mobile Praxis funktioniert. Heute ist Allgemeinmediziner André Schumacher vor Ort, der ehrenamtlich eine Sprechstunde hält und die Hilfsbedürftigen mit den nötigsten Medikamenten versorgt. "Im Winter haben die Menschen oft kältebedingte Wunden und Erkältungen, im Sommer Insektenstiche oder Allergien". Doch trotz der guten Ausstattung: Bei schwereren Fällen bleibt den Ärzten nichts als eine Überweisung ins Krankenhaus.

Für Sandra und die anderen Besucher ist der Wohlfühlmorgen jedenfalls eine tolle Sache. Dass es sich hier um ein kirchliches Hilfsangebot handelt, ist zwar eher zweitrangig: "Das wusste ich lange gar nicht", gibt Sandra freimütig zu. Dennoch will sie die Veranstaltung nicht missen: "Es ist schön, mal für zwi, drei Stunden komplett entspannen zu können."

Von Gabriele Höfling

Hinweis: Die nächsten Wohlfühlmorgen in Düsseldorf finden am heutigen Samstag und dann wieder am Samstag, 30.11. statt.