Per Instagram auf den Spuren der Zisterzienser
Die Zisterzienser waren schon im Mittelalter sehr modern. Das stellt der Kurator der Ausstellung über den mittelalterlichen Orden, Lothar Altringer, gleich zu Beginn der Führung im LVR-Landesmuseum in Bonn klar.
"Zu Beginn waren die Zisterzienser Revolutionäre", erzählt Altringer von der Entstehung des Ordens. Robert von Molesme hatte den strengen Orden gegründet, weil seine Benediktinerabtei sich für ihn zu weit von der Regel Benedikts entfernt hatte. Ein revolutionärer Akt: Die Mönche beriefen sich auf ihr Gewissen und leiteten so eine Reform der Kirche ein.
Bald nach der Gründung des ersten Klosters in Citeaux spannte sich ein Netz von Klöstern über ganz Europa – von Skandinavien bis weit in den Süden. Die Mönchen standen in ständigem Kontakt: Jede Neugründung wurde regelmäßig vom Abt des Mutterklosters visitiert, alle gut 650 Äbte kamen einmal im Jahr zum Generalkapitel zusammen, um über die Regel und Angelegenheiten, die den ganzen Orden betrafen, zu beraten. "Das empfinde ich als sehr modern", sagt der Kurator: "Man gibt sich ein allgemein verbindliches Wertegerüst, ohne aber sklavisch daran zu kleben. Im gemeinsamen Gespräch wird darüber verhandelt, wie man sich verändern kann, um weiter erfolgreich zu sein – ohne den Wesenskern zu verlieren."
Für Altringer ein Organisationsprinzip, das er auch in der heutigen Kommunikation wiedererkennt. Da lag es für das Museum nahe, auch die Ausstellung ins Netz zu bringen: Gemeinsam mit katholisch.de hatte das Museum am Donnerstag die Instagram-Community aus dem Rheinland in die Ausstellung eingeladen, um sich dem mittelalterlichen Orden mit der Smartphonekamera zu nähern. Die Ergebnisse gibt es auch sofort im Netz zu finden: Unter dem Hashtag #instazisterzienser ist gleich zu sehen, was die Teilnehmer gesehen haben.
Linktipp: #Instakirche – Kirche trifft Netzcommunity
Die Kirche ist stark, wenn es um große Bilder geht: Beeindruckende Architektur, großartige Kunst. katholisch.de bringt Kirchen in Soziale Netze: Unter dem Titel #instakirche öffnen bundesweit Kirchen ihre Türen für Instagram-Fotografen.HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.
Dabei waren die Zisterzienser fast 500 Jahre vor der Reformation eigentlich gar nicht auf große Bilder und prunkvollen Schmuck aus: ein strenges Leben, einfache Ordenskleider, schlichte Architektur ohne bunte Kirchenfenster, die Kirchen nur vom Kreuz und einer Marienstatue geschmückt. Doch, das zeigt die Ausstellung, es kam oft anders bei den "weißen Mönchen". So wurden sie aufgrund ihres aus ungefärbter Schafswolle gefertigten Habits genannt. Mit Macht und Einfluss hielt auch beeindruckende Kunst Einzug in die Abteien – ein dankbares Motiv für das gute Dutzend an interessierten Instagram-Fotografen.
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Vieles von dieser Kunst ist nun in Bonn zu sehen: die älteste hölzerne Marienstatue Osteuropas, ein Grabtuch aus dem schwedischen Nationalmuseum, einige Ausstellungsstücke aus dem Louvre. Und viele Gegenstände, die aus noch bestehenden Klöstern ausgeliehen wurden. Besonders berührend findet der Kurator ein prunkvolles – und damit eigentlich sehr unzisterziensisches – Kreuz aus der Schweizer Abtei Wettingen-Mehrerau. Bevor es auf die Reise nach Bonn geschickt wurde, hätten sich die Mönche noch einmal vor dem Kreuz versammelt, vor dem sie schon 750 Jahre lang gebetet hatten. "Und nach der Ausstellung wird weiter vor diesem Kreuz gebetet werden", sagt Altringer.
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Immer wieder gibt es auch humorvolle Details zu sehen. Ein Chorgestühl etwa, das von Schnitzereien kleiner Teufel und Dämonen geschmückt wird, sogenannten Drolerien. Derartig gegenständlicher Schmuck, noch dazu mit grotesken Dämonen, wäre Bernhard von Clairvaux, dem großen Heiligen des Ordens, ein Graus gewesen. Von ihm ist eine Berührungsreliquie zu sehen: eine unscheinbare Kappe aus Ziegenwolle, die er in Koblenz verschenkt haben soll.
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Das älteste Tafelbild Dänemarks zeigt Szenen aus dem Leben Jesu – auch eine, die die Evangelien leider verschweigen: König Herodes mit einem gebratenen Hühnchen. Der spätere Märtyrer Stephanus soll dem König die Geburt Jesu mitgeteilt haben, was der aber nicht glauben wollte – jedenfalls, so spottet er, nicht, bevor sein Hühnchen es ihm verkünden würde. Und, oh Wunder: Das gebratene Hühnchen erhebt sich mit den Worten "Christus ist geboren!"
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Prägend für die Spiritualität der Zisterzienser war ihre Marienverehrung, und so finden sich in der Ausstellung auch immer wieder prachtvolle Darstellungen der Gottesmutter: bekannte Motive wie die thronende Himmelskönigin, aber auch unbekanntere wie die von Christus mit der Seele Mariens, die er in den Himmel begleitet. Gleich mehrere Marienstatuten zeigen die Gottesmutter mit dem nackten Jesuskind, eine Darstellung, die die Menschwerdung betont. Eine in Stein gehauene Statue aus dem Kloster Eberbach zeigt Maria, wie sie ihren Sohn kitzelt. Die alte Streitfrage ist hier geklärt: Natürlich lachte Jesus.
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Erst auf den zweiten Blick hat ein kurioses Exponat mit der Gottesmutter zu tun: Ein Hochaltar aus dem Kloster Kamp am Niederrhein mit zwölf Apostelstatuen, in ihrer Mitte Christus und Gottvater – mittlerweile. Denn ursprünglich kam der Altar ganz ohne Christus aus; erst später wurde die Marienfigur zum Jesus umgearbeitet: Die Brüste flachgefeilt, die Haare umgefärbt. Nur am braunen Haaransatz blitzen noch ein paar ungefärbte blonde Marienlocken hervor.
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Im Kontrast zu der großen Kunst steht der Alltag der Mönche: Gebet und Arbeit, keinerlei Luxus. Der irdische Lohn: eine Lebenserwartung von nur 35 Jahren, noch weniger als das übliche Todesalter im Mittelalter. Auch diese Umstände dokumentiert die Ausstellung: das harte Leben der Konversen, der Laienbrüder, die für die körperlichen Arbeiten zuständig waren. Die Schlafsäle, wo die Mönche auf Strohsäcken schliefen, mit direktem Zugang zur Kirche. Ein Strohsack liegt zum Probeliegen aus.
Lothar Altringer schließt die Führung mit einem Zitat des heiligen Bernhard an den vielbeschäftigen Papst Eugen III.: "Wo soll ich anfangen? Am besten bei Deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit Dir." Der Heilige als Lebensberater mahnt den Papst, auch einmal kürzerzutreten. Wieder sehr modern. Später auf Instagram, nach der Führung, seufzt eine der Teilnehmerinnen dann auch mit Bernhard: "Da wird mir bewusst, dass ich mich von Zeit zu Zeit den digitalen Beschäftigungen entziehen sollte …"