Pfingstmontag – Maria oder Ökumene?
Ziemlich sicher wird Papst Franziskus die gesamte Weltkirche im Sinn gehabt haben und nicht die spezielle Situation in Deutschland: In der katholischen Kirche soll künftig der Pfingstmontag als der Gedenktag "Maria, Mutter der Kirche" begangen werden. Der Papst habe dies entschieden, heißt es in einem jüngst veröffentlichten Dekret der Gottesdienstkongregation. Etwas vollmundig titelten auch wir von katholisch.de: "Der Pfingstmontag steht künftig ganz im Zeichen der Gottesmutter". Hierzulande ist der Pfingstmontag allerdings schon "besetzt" und zwar im doppelten Sinn.
Zum einen ist dieser gesetzliche Feiertag auch kirchlich ein gebotener Feiertag – so hat es die Deutsche Bischofskonferenz bestimmt – und zum anderen gibt es die Tradition, am Pfingstmontag ökumenische Gottesdienste zu feiern, bei denen das Gebet um die Einheit im Mittelpunkt steht. An Pfingsten kommt der Heilige Geist auf Maria und die Freunde Jesu herab und sie beginnen, die frohe Botschaft der Auferstehung Christi zu verkünden. Es war die Geburtsstunde der damals noch nicht getrennten Kirche. "In allen christlichen Kirchen sind die Gaben des Heiligen Geistes wirksam", erklärt der Essener Weihbischof Wilhelm Zimmermann die gemeinsame Tradition. Der Heilige Geist sei sowohl die innere Verbindung zwischen den christlichen Konfessionen als auch die treibende Kraft bei den Bemühungen um die Einheit.
Paul VI. nannte Maria Mutter der Kirche
Wie passt in dieses Fest eine Maria, die als "Mutter der Kirche" ("Mater Ecclesiae") bezeichnet wird, wo doch jede Konfession etwas anderes unter dem Begriff Kirche versteht? Aus der Luft gegriffen hat es Papst Franziskus nicht: Eine Votivmesse für Maria als "Mutter der Kirche" gibt es bereits seit 1975, und einige Länder, Bistümer und Orden begehen die Feier. Papst Paul VI. hatte beim Abschluss der dritten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils am 21. November 1964 Maria feierlich zur "Mutter der Kirche, das heißt zur Mutter des ganzen christlichen Volkes, seien es die Gläubigen, seien es die Hirten, die sie ihre geliebte liebendste Mutter nennen" erklärt. Es handelte sich um einen persönlichen – nicht mit dem Konzil abgesprochenen – Akt von Paul VI., der dies wenige Tage zuvor in einer Generalaudienz ankündigte, beschreibt der heutige Kardinal Luis Antonio Tagle das Ereignis im Buch "Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils".
Zwar habe die Kommission für die Glaubenslehre zunächst dogmatische, ökumenische und pastorale Gründe gegen das Ansinnen vorgebracht, aber es überwog "bei vielen Konzilsvätern und beim Papst der Gesichtspunkt der frommen Verehrung", so Tagle. Nachdem die Kommission den Titel "Mater Ecclesiae" geprüft und für theologisch zulässig erklärte, sah Paul VI. den Weg dazu frei, dass das Konzil Maria die Ehre erweisen sollte. Zu denjenigen, die gegen diesen Titel waren, zählt der Vatikan-Journalist Andrea Tornielli Karl Rahner sowie österreichische und deutsche Bischöfe. Der Titel sei "Grund zu größter Sorge", da er eine Belastung für die ökumenischen Beziehungen zu den Protestanten wie zu den Ostkirchen erzeugen würde.
Die Proklamation des Titels "Mutter der Kirche" führte dann doch nicht zu den prophezeiten ökumenischen und dogmatischen Schwierigkeiten, führte allerdings auch zu keinem Wiederaufblühen der Marienfrömmigkeit, schreibt Tagle. 54 Jahre später sagt der – katholische – Leiter des Johann-Adam-Möhler-Instituts für Ökumenik, Wolfgang Thönissen, dass mit Kirche die gesamte Christenheit gemeint sein dürfte. Schließlich folge mehrfach die Formulierung "christliches Volk".
Kein Titel für Protestanten
Sein evangelischer Kollege vom Konfessionskundlichen Institut Bensheim gibt sich mit Blick auf das Dekret der Gottesdienstkongregation zunächst gelassen: "Das Dokument kann, muss aber nicht die Ökumene tangieren", sagt der Catholica-Beauftragte Martin Bräuer. Er weist auf eine andere Spannung hin, die es bereits jetzt für deutsche Katholiken am Pfingstmontag gebe: Da es ein gebotener Feiertag sei, müsste in katholischen Gemeinden ohnehin eine Messe gefeiert werden, sodass der ökumenische Gottesdienst nur eine von zwei Optionen sei und immer der besonderen Erlaubnis des Bischofs bedürfe. Dies werde in den Bistümern unterschiedlich gehandhabt. Er bedauert, dass die Deutsche Bischofskonferenz den Pfingstmontag nicht für die Ökumene freigestellt habe. Im Jahr 1995 beschlossen die Bischöfe die Partikularnorm Nr. 15 nach der Pfingstmontag ein kirchlich gebotener Feiertag ist. Das bedeutet, dass Katholiken wie am Sonntag dazu verpflichtet sind, eine Messe mitzufeiern – ein ökumenischer Gottesdienst erfüllt diese sogenannte Sonntagspflicht nicht.
Künftig werde sich zeigen, ob katholische Priester Zeit haben, den ökumenischen Gottesdienst mitzufeiern, so Bräuer. Er wünscht sich, dass die Bischofskonferenz zu der Frage eine Empfehlung ausspricht. Bräuer sagt er mit Blick auf die evangelische Kirche: "Die Formulierung 'Maria, Mutter der Kirche' ist ein Problem für uns, da wir Maria zwar als Vorbild sehen, sie aber nicht als Fürsprecherin anrufen." Evangelische Christen könnten zwar sagen, dass Maria die Mutter Jesu sei, nicht aber die Mutter der Kirche, so Bräuer.
Es liegt an der Deutschen Bischofskonferenz, zu entscheiden, ob diese automatische Regelung greift oder ob sie etwas anderes bestimmt. An einem gebotenen oder nichtgebotenen Gedenktag besteht jedenfalls keine Sonntagspflicht. Würde die Bischofskonferenz den Pfingstmontag als gebotenen Feiertag aufheben, könnten dann auch am Vormittag ökumenische Gottesdienste gefeiert werden. Seit einer Entscheidung der Bischöfe aus dem Jahr 1994 gelten sie als Ausnahme, da die Eucharistiefeier für Katholiken am Vormittag des kirchlichen Feiertags gewährleistet sein muss. Die Bischofskonferenz teilte auf Anfrage mit, dass das Dokument aus Rom völlig überraschend kam. Die Liturgiekommission werde sich aber mit dem Dekret befassen.
Kaum Hoffnung dürften die Katholiken in Deutschland – und in vielen anderen Ländern – haben, dass der neue Gedenktag schon dieses Jahr in der Landessprache gefeiert werden kann. Die entsprechenden liturgischen Texte für die Feier der Messe und der Stundenliturgie hat die Gottesdienstkongregation auf Latein veröffentlicht. Bis die durch die Bischofskonferenzen in Auftrag gegebenen Übersetzungen fertig, approbiert und, nach Bestätigung durch den Vatikan, veröffentlicht sind, kann es dauern.
Liturgische Auswirkungen in Deutschland noch unklar
Ob nun aber künftig wirklich jedes Jahr in den katholischen Gotteshäusern der neue Mariengedenktag gefeiert wird, ist bislang noch unklar. Verantwortlich für die Unklarheit ist das, was die Rangordnung der liturgischen Tage festschreibt. Sie regelt, welches Fest im Kirchenjahr wichtiger ist und somit im Falle von Aufeinandertreffen zweier Feste das rangniedere verdrängt. Der Pfingstmontag hat – auch in Deutschland – keinen liturgischen Rang und sollte demnach durch "Maria, Mutter der Kirche" ersetzt werden. Aber der neue Gedenktag selbst ist in der untersten Kategorie III der Rangordnung. Das bedeutet, dass das Fest des heiligen Bonifatius (Kategorie II) Vorrang hätte, wenn Pfingstmontag auf seinen Gedenktag (5. Juni) fällt. Auch Eigenfeste von Pfarreien (Patrozinium), Diözesen (Bistumspatron) und Orden könnten "Mater Ecclesiae" verdrängen.