Rabbiner kritisiert neuen Ratzinger-Text zum Judentum
Kritik am jüngsten Traktat des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Verhältnis von Judentum und Christentum hat der Berliner Rabbiner Walter Homolka geübt. Der unter dem Namen "Joseph Ratzinger/Benedikt XVI." veröffentlichte Beitrag mit dem Titel "Gnade und Berufung ohne Reue" erscheint am Donnerstag (12. Juli) in der theologischen Fachzeitschrift "Communio". Darin kommentiert er ein Dokument, das 2015 von der Vatikan-Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum veröffentlicht wurde.
Homolka warf Ratzinger/Benedikt am Montag in München laut Redemanuskript vor, er vertrete in seinem Aufsatz die Ansicht: "Die Juden sind Gottes Volk. Aber die Wahrheit liegt im Christentum" - eine Formulierung, die der Text so aber nicht enthält. Benedikt XVI. lehre, so Homolka weiter, der Sinai-Bund Gottes mit Israel sei ersetzt durch den Christusbund. Damit werde "christliche Identität auf Kosten der jüdischen formuliert", schloss sich Homolka der Wertung des Schweizer Jesuitenprovinzials Christian Rutishauser in der "Neuen Zürcher Zeitung" an.
Er fügte hinzu: "Wer die Rolle des Judentums so beschreibt, baut mit am Fundament für neuen Antisemitismus auf christlicher Grundlage!" Homolka äußerte sich bei einer Festveranstaltung zum 70-jährigen Bestehen der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit München.
Dogmatiker Tück: Kein gespräch mit der jüdischen Theologie
Benedikt XVI. setzt sich in dem zunächst nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Text mit den beiden Begriffen "Substitutionstheorie" und "nie gekündigter Bund" auseinander. "Beide Thesen - dass Israel nicht durch die Kirche substituiert werde und dass der Bund nie gekündigt worden sei - sind im Grunde richtig, sind aber doch in vielem ungenau und müssen kritisch weiter bedacht werden", schreibt er. So habe es eine "Substitutionstheorie" - also die Vorstellung, die Kirche sei an die Stelle Israels getreten - "als solche nicht gegeben", stellt der emeritierte Papst klar. Dem Judentum komme aus christlicher Sicht stets ein besonderer Status zu, insofern es "nicht eine Religion unter anderen" sei.
Auch der Wiener Dogmatiker und "Communio"-Herausgeber Jan-Heiner Tück hatte im Gespräch mit der österreichischen Presseagentur Kathpress Kritik anklingen lassen. Demnach befasse sich der emeritierte Papst ausschließlich mit der Schärfung innerchristlicher Sprachregelungen. Ein eigentliches Gespräch mit der jüdischen Theologie werde hier nicht geführt, so Tück. (bod/KNA)