"Redliche, tiefsinnige Schönheit"
Bei der feierlichen Segnung der Fenster am Dienstag in Köthen war davon keine Rede. Magdeburgs Bischof Gerhard Feige würdigte stattdessen Stil und Ansatz Triegels: "Schönheit in der Kunst ist nichts Reaktionäres, sondern im Gegenteil: Wer heute derart redliche, tiefsinnige Schönheit wagt wie Michael Triegel, der ist ein Avantgardist im besten Sinne des Wortes!" Feige deutete die beiden Rundbogenfenster als "Bibel für die Armen unserer Zeit". Dabei galt Feiges Blick weniger den materiell Bedürftigen, als jenen "die hungern nach dem Sinnhaften, nach ganzheitlich-geistiger Nahrung und: ja, auch nach Schönheit".
Seine Predigt nutzte der Bischof für eine feinsinnige Exegese der beiden Thermenfenster, in deren Zentrum Triegel - in Anlehnung an den Namen der Pfarrkirche Sankt Mariä Himmelfahrt - die Gottesmutter stellte. Feige zeigte sich "tief berührt" von der Pieta im östlichen Hauptfenster, wo Triegel Christus quasi makellos mit unblutigen Wundmalen darstellt: "Wir sehen Jesus hier in der karsamstäglichen Gestalt zwischen Menschwerdung und Auferstehung." Es sei exakt der Moment zwischen Tod und Auferstehung, den der Maler hier eingefangen habe. Marias Gesichtsausdruck sei entsprechend nicht leidend, sondern eher kontemplativ.
Nicht unbemerkt bleibt, dass Maria und der Verkündigungsengel Züge von Triegels Ehefrau und der gemeinsamen Tochter tragen. Für Feige ist das nur natürlich: "Es sind keine idealisierten Körperhüllen, die wir hier sehen, sondern der Künstler hat jene gemalt, die er selbst aus tiefstem Herzen liebt." In der Ikonographie der neuen Fenster werde die irdische Liebe des Künstlers zugleich "zur himmlischen, frommen Liebe". Beide Weisen gehörten untrennbar zusammen und "lassen sich nicht gegeneinander ausspielen". Auf eine erkennbare Ähnlichkeit des Christus mit Triegel ging Feige allerdings nicht ein.
"Das persönliche Glaubensbekenntnis des Künstlers"
Der Bischof deutet die Korrespondenz zwischen dem Ost-Fenster und der im West-Fenster dargestellten Aufnahme Mariens in den Himmel und ihre Krönung durch Gottvater und Christus als "das persönliche Glaubensbekenntnis des Künstlers, wie es kein noch so gelehrter theologischer Traktat auszudrücken vermag". Mariologie und Christologie seien hier "auf geheimnisvolle, karsamstägliche Weise miteinander verwoben".
Triegel zeigte sich sehr berührt von Feiges Deutung: "Wenn mir jemand so tief ins Herz blickt, empfinde ich stets eine Mischung aus Scham, so ganz nackt dazustehen und Freude darüber, verstanden worden zu sein." Der 46-Jährige bezeichnete die Arbeit an seinem ersten glaskünstlerisches Werk als große Herausforderung und "zutiefst beglückend, denn ich konnte lernen, dass durch gemeinsames Mühen um ein Ergebnis, etwas erreicht werden kann, womit der Einzelne nicht rechnen konnte."
Die Glaswerkstatt Peters aus Paderborn habe seine Gedanken und Vorgaben "zum Leuchten" gebracht, so Triegel. Passend zum strengen, weißen Stil des Gotteshauses, das zu den bedeutendsten deutschen Sakralbauten des Klassizismus zählt, wählte der Leipziger Künstler Grisaillemalerei für seine marmorartigen Figuren vor einem leuchtend blauem Hintergrund.
Schließlich räumte Triegel noch mit dem kolportierten Vorwurf auf, er habe den Auftrag nur erhalten, weil er nun Katholik geworden sei: "Zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe wussten von der bevorstehenden Taufe lediglich enge Freunde und Verwandte." Zugleich erklärte der Maler: "Von Schaden aber, glaube ich, kann es nicht sein, wenn ein Künstler das thematisiert, was ihn am meisten bewegt."