Erfinder des "Häretischen Imperativs" starb mit 88 Jahren

Religionssoziologe Peter L. Berger gestorben

Veröffentlicht am 29.06.2017 um 15:37 Uhr – Lesedauer: 
Tod

Brookline/Bonn ‐ Einer der bedeutendsten Religionssoziologen unserer Zeit ist tot: Peter L. Berger starb im Alter von 88 Jahren. Der Wissenschaftler erforschte vor allem die religiöse Pluralisierung.

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Der Religionssoziologe Peter L. Berger ist tot. Der Wissenschaftler starb am Dienstag im Alter von 88 Jahren, wie die Boston University mitteilte. Berger war einer der bedeutendsten Religionssoziologen seiner Zeit und Gründungsdirektor des "Instituts für Kultur, Religion und Weltpolitik" (CURA) an der Boston University (USA), wo er die Rolle der Religion in den internationalen Beziehungen erforschte.

Bekannt wurde er unter anderem durch seine Forschungen zur religiösen Pluralisierung. Dazu prägte er den Begriff des "häretischen Imperativs", um die moderne Gesellschaft zu beschreiben: Während vormoderne Gesellschaften von religiösen Gewissheiten geprägt seien, die nur gelegentlich von abweichenden Meinungen erschüttert würden, sei die moderne Gesellschaft geprägt von religiöser Unsicherheit. "Häresie" – der Wortbedeutung nach "Auswahl" – werde zum bestimmenden Modus des Glaubens. "Für den vormodernen Menschen ist Häresie eine Möglichkeit. Für den modernen Menschen wird Häresie typischerweise zur Notwendigkeit", schreibt er in seinem Buch "The Heretical Imperative". Selbst wer völlig rechtgläubig sei, müsste sich dafür bewusst entscheiden. Der gläubige Lutheraner Berger beschrieb sich selbst als "etwas heterodox".

Tiefschürfende Forschung

Die Professorin für Religionspädagogik Mary Elizabeth Moore würdigt Bergers wissenschaftliches Erbe in ihrem Nachruf als "tiefschürfend und breit angelegt". Der Soziologe habe vor allem die Religions- und Wissenssoziologie und die Theologie durch seine grundlegenden Forschungen geprägt, schreibt die derzeitige Dekanin der theologischen Fakultät seiner ehemaligen Universität.

Der österreichische Religionssoziologe Paul Zulehner betont in seinem Nachruf die Fähigkeit Bergers, verständlich und humorvoll zu schreiben: "Nie hat er so geschrieben, dass man den Sinn eines seiner Texte erst beim zweiten Lesen erahnte." Noch im hohen Alter publizierte Berger zu seinen Themen, auch in einem Blog. Dort erschien am 17. Mai sein letzter Artikel über konfuzianische Einflüsse auf die Politik Chinas.

Zu Bergers bekanntesten Werken gehören "The Sacred Canopy" (deutsch: "Zur Dialektik von Religion und Gesellschaft"), das auch in der Theologie viel beachtet wurde, und "The Social Construction of Reality" (deutsch: "Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit").

Peter Berger wurde 1929 in Wien geboren. Seine Familie floh vor den Nationalsozialisten nach Palästina, seit 1946 lebte er in den USA. Nach Stationen an verschiedenen Universitäten übernahm Berger 1981 einen Lehrstuhl für Soziologie und Theologie an der Boston University, wo er bis zu seinem Ruhestand forschte und lehrte. Er starb am 27. Juni nach kurzer Krankheit in Brookline, Massachuchetts. (fxn)