Revolutionäre unter sich
"Nachdem ich jetzt einige Botschaften des Papstes gehört habe, kann ich der katholischen Kirche wieder vertrauen", sagt Morales - und dokumentiert damit eine radikale Kehrtwende. Vor vier Jahren feuerte der erste indigene Präsident Südamerikas noch verbale Breitseiten gegen den Vatikan. Die katholische Kirche sei "ein Symbol des europäischen Kolonialismus" und müsse deswegen "aus Bolivien verschwinden", wetterte Morales auf dem Höhepunkt der Krise zwischen der katholischen Ortskirche und den regierenden Sozialisten.
Die Spannungen zwischen den lokalen Bischöfen und dem Präsidenten sind zwar geblieben - doch Morales sieht in Papst Franziskus einen Gesinnungsgenossen: "Eine Aussage hat meine Aufmerksamkeit erregt", beteuert Morales. Der Papst habe erklärt, nur wer revolutionär sei, sei ein Christ. "Und wir fühlen uns als wirkliche Revolutionäre."
Wenn die katholische Kirche "die Befreiungstheologie wiederbeleben" wolle, "dann stehen wir bereit, um dieses religiöse Prinzip der Befreiung der Völker zu begleiten", hatte der ehemalige Koka-Bauer bereits nach seinem Besuch beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro Ende Juli angeboten: "Wir sind Revolutionäre. Jesus Christus war der erste Sozialist der Welt, der außerdem noch sein Leben hingegeben hat."
Vom Papst gab es damals Zustimmung für seinen Kurs
Stolz berichtete Morales damals auch von einer Zustimmung des Papstes für seinen Kurs: "Evo, meine Bewunderung. Ich begleite dich mit meinem Segen. Dreimal hat er diesen Begriff des Segens wiederholt. Das hat mich wirklich überrascht."
Tatsächlich wird auch das bürgerliche Lager in Lateinamerika die Begegnung gespannt verfolgen: Wie "links" ist der Papst der Armen aus Argentinien, und wie reagiert er auf parteipolitische Vereinnahmungsversuche?
Auf der Agenda werden allerdings auch noch andere Themen stehen. Wie in fast allen südamerikanischen Ländern schlägt auch in Bolivien das Thema Abtreibungslegalisierung hohe Wellen. Ortskirche und christliche Gruppen riefen jüngst zu Protesten auf. Auch dazu wird Franziskus wahrscheinlich mit Morales sprechen wollen.
Viele Katholiken in Bolivien hoffen auch auf eine deeskalierende Wirkung des Treffens mit Blick auf das seit Jahren gespannte Klima zwischen Staat und Ortskirche. "Wir reparieren die Gotteshäuser, bauen für die Kirche, und was passiert? Sie bewerfen mich mit Dreck", so reagierte Morales noch im vergangenen Jahr auf die Kritik der Kirche.
Geraubte Kirchengüter verursachen Streit
Jüngster Höhepunkt war ein Streit über eine mysteriöse Raubserie in 16 Kirchen der Großstädte La Paz und Potosi. Zwei katholische Geistliche sowie ein weiterer Mann wurden wegen Diebstahlsverdachts festgenommen. Sie sollen insgesamt 18 wertvolle Schmuckstücke der Jungfrau von Copacabana gestohlen haben. Der Wallfahrtsort am Titicacasee gilt als wichtigste Pilgerstätte des südamerikanischen Landes.
Morales gab den Bischöfen des Landes eine Mitschuld. Sie hätten die Alarmanlage an der Pilgerstätte wissentlich nicht in Betrieb genommen. Kardinal Julio Terrazas und die Bischofskonferenz müssten die Schuldigen hart bestrafen, damit die Kirche nicht durch die Raubzüge an Ansehen verliere.
Die bolivianischen Bischöfe baten ihrerseits den Staat um Hilfe, um den Schutz von Gotteshäusern zu gewährleisten. "In der Praxis haben wir keine technische Hilfe und nicht das Geld, das notwendig wäre, um die Sicherheit in den Kirchen und den frei zugänglichen Pilgerstätten zu gewährleisten. Das ist Aufgabe des Staates und anderer Institutionen", schrieben die Bischöfe und baten um eine umfassende Aufklärung der Straftaten. Armut, Abtreibung, Diebstahlsicherung. Disparate und spannende Themen für zwei der profiliertesten Köpfe Lateinamerikas.
Von Tobias Käufer (KNA)