Zum 100. Jahrestag der Oktoberrevolution auf Orthodoxie rückbesinnen

Russische Auslandskirche fordert Ende des Lenin-Kults

Veröffentlicht am 15.03.2017 um 14:03 Uhr – Lesedauer: 
Russland

Bonn ‐ Immer noch ist Lenins Leichnam in Moskau am Roten Platz aufgebahrt. 100 Jahre nach der Oktoberrevolution fordert die orthodoxe Auslandskirche, endlich Schluss mit dem kommunistischen Totenkult zu machen.

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Die russisch-orthodoxe Auslandskirche fordert die Entfernung der sterblichen Überreste Lenins aus dem Mausoleum am Roten Platz in Moskau. Der Verzicht auf den Totenkult um den Diktator solle ein Symbol der Versöhnung des russischen Volkes mit Gott sein, wie aus einem in den Sonntagsgottesdiensten zu verlesenden Schreiben anlässlich des 100. Jahrestags der Oktoberrevolution hervorgeht. Darin wendet sich die Bischofssynode unter Leitung des New Yorker Metropoliten Hilarion an alle Gläubigen der Auslandskirche und in Russland.

Die Bischöfe fordern, den aufgebahrten Leichnam des "größten Verfolgers und Schlächter des 20. Jahrhunderts" aus dem Mausoleum zu entfernen, die Zerstörung aller ihm gewidmeten Denkmäler und die Umbenennung aller nach Lenin benannten Straßen und Orte. Der Name Lenins wird in dem Schreiben nicht genannt.

Weiterhin beklagt die Synode den moralischen und wirtschaftlichen Niedergang Russlands, den die sowjetische Herrschaft zu verantworten habe, sowie eine "fortwährende Verunglimpfung" Russlands seitens des Westens, die heute wie vor hundert Jahren herrschen würde. Die Bischöfe fordern die Gläubigen "im Vaterland und in der Diaspora" auf, den orthodoxen Glauben als Geschenk Gottes "wie den eigenen Augapfel" zu bewahren.

Stalins Leichnam bereits entfernt

Die Russische Orthodoxe Kirche im Ausland wurde nach der Oktoberrevolution 1917 von russisch-orthodoxen Gläubigen gegründet, die vor religiöser Verfolgung durch die Bolschewiken aus der Sowjetunion geflohen waren. 1927 erklärte sie sich für unabhängig vom Moskauer Patriarchat, nachdem Patriarch Sergius I. eine Loyalitätserklärung gegenüber der Sowjetunion abgegeben hatte. Seit 2007 bestehen wieder kanonische Verbindungen mit dem Moskauer Patriarchat, dem die Auslandskirche mittlerweile als autonome Kirche verbunden ist. Heute umfasst die Auslandskirche etwa 450 Gemeinden in Amerika und Europa. Der Sitz des Metropoliten und der obersten Kirchenverwaltung ist seit 1957 New York.

Zwischen 1953 und 1961 war im Lenin-Mausoleum auch der Leichnam Stalins aufgebahrt, bis er im Zuge der Entstalinisierung auf den Ehrenfriedhof dahinter umgebettet wurde. Die Entfernung des Leichnams Lenins aus dem Mausoleum am Roten Platz wird bereits seit der Endphase der UdSSR immer wieder diskutiert. Bisher einzige Konsequenz war 1993 der Abzug der Ehrenwache unter Präsident Boris Jelzin. (fxn)

Linktipp: Theologe sieht "politische Orthodoxie" in Russland

Die orthodoxe Kirche ist nach Ansicht des Religionspädagogen Joachim Willems zu einer "Institution russischer Identitätsbildung" geworden. Eine "politische Orthodoxie" sei die neue Ideologie Russlands. (Artikel vom August 2016)