Gericht stuft Gemeinschaft als extremistisch ein

Russland verbietet Zeugen Jehovas

Veröffentlicht am 21.04.2017 um 09:35 Uhr – Lesedauer: 
Sekten

Moskau ‐ Die Zeugen Jehovas müssen ihre Russland-Zentrale und hunderte örtliche Gemeinden auflösen. Das oberste russische Gericht stuft die Sekte als extremistisch ein - besonders wegen einer Zeitschrift.

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Das Oberste Gericht Russlands hat die Zeugen Jehovas als extremistisch verboten und ihr Vermögen eingezogen. Die Glaubensgemeinschaft müsse ihre Russland-Zentrale in St. Petersburg und 395 örtliche Organisationen auflösen, befanden die Richter am Donnerstag in Moskau. Die Zeugen Jehovas kündigten an, ihren Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu tragen. Um gegen das drohende Verbot zu protestieren, hatte die Organisation ihre Anhänger weltweit dazu aufgerufen, Briefe an den Kreml zu schreiben.

"Die religiöse Organisation Zeugen Jehovas zeigt Merkmale extremistischer Tätigkeit", sagte eine Vertreterin des russischen Justizministeriums vor Gericht, wie die Agentur Interfax meldete. "Sie stellen eine Gefahr für die Rechte der Bürger, die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit dar."

"Der Wachturm" als extremistisches Pamphlet

Als extremistisch stufte die Behörde vor allem die Zeitschrift "Der Wachtturm" ein, die trotz Verbots weiter verteilt werde. Dass die Zeugen Jehovas ihren Mitgliedern Bluttransfusionen verbieten, sei ein Verstoß gegen Menschenrechte. Die Gemeinschaft soll in Russland nach Presseberichten etwa 170.000 Anhänger haben.

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Sie gehen von Tür zu Tür oder stehen mit dem "Wachtturm" vor Geschäften in den Innenstädten: die Zeugen Jehovas. Heute vor zehn Jahren wurden sie rechtlich aufgewertet. Hat die umstrittene Gemeinschaft davon profitiert? (Artikel von Februar 2016)

Kritiker schätzen die Zeugen Jehovas als autoritäre Gruppe ein, die Gehorsam erwarte und ihre Mitglieder sozial isoliere. In Deutschland sind sie aber wie die großen Kirchen als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. Die katholische Kirche erkennt "Jehovas Zeugen" nur bedingt als christliche Gemeinschaft an, da ihre Anhänger zwar an Jesus Christus, nicht aber an die Trinität glauben.

Kritik vom Außenministerium

Unterdessen äußerten das Auswärtige Amt und die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" Kritik am Verbot. Das Urteil sei besorgniserregend. Russlands habe sich zur Achtung der Religionsfreiheit verpflichtet und dies müsse auch für die Zeugen Jehovas gelten, bekräftigte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, am Freitag in Berlin.

"Human Rights Watch" sprach in New York von einem gravierenden Verstoß gegen Russlands Verpflichtung auf Achtung der Religions- und Versammlungsfreiheit. Die Organisation verwies auf Angaben des russischen Justizministeriums, nach denen seit 2007 bereits mehrere Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas verboten worden seien. In den meisten Fällen sei das mit dem Argument untermauert worden, die Zeugen Jehovas beanspruchten eine Überlegenheit gegenüber anderen Religionen und hielten ihre Auslegung der Bibel für allein gültig. (kim/dpa/KNA)

21.04., 13:10 Uhr: Ergänzt um Aussage des Auswärtigen Amts