Medienpädagogin Kerstin Heinemann über das Spiel "Pokémon Go"

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Veröffentlicht am 17.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Johanna Heckeley – Lesedauer: 
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Bild: © dpa/AA
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München ‐ Es ist ein Hype, dem schon Millionen verfallen sind: Das neue Smartphone-Spiel "Pokémon Go". Medienpädagogin Kerstin Heinemann hat mit katholisch.de über das Spiel und dessen ethische Grenzen gesprochen.

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Weltweit wurde es in nur einer Woche über eine Million mal heruntergeladen, seit Donnerstag ist es auch in Deutschland verfügbar. Kerstin Heinemann, medienpädagogische Referentin am JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, hat mit katholisch.de über das Spiel gesprochen.

Frage: Frau Heinemann, der Startschuss in Deutschland für "Pokémon Go" hat einen regelrechten Hype um das Spiel ausgelöst. Wie bewerten Sie das?

Heinemann: Das Spiel ist ja nicht neu, es war um die Jahrtausendwende in der Form von Sammelkarten sehr beliebt (siehe Infobox). Nur ist es jetzt auf dem Smartphone spielbar - und die Spieler können damit in der realen Welt virtuelle Pokémons fangen. Diese virtuelle Realität liegt im Trend und das macht sicherlich auch einen Teil des Hypes aus. Außerdem macht es Spaß und weckt sicherlich bei dem ein oder anderen Erinnerungen an die Sammelkarten.

Frage: Kritik gab es allerdings auch schon: Bestimmte Punkte, die der Spieler ansteuern kann, sogenannte Pokéstops, liegen mitunter auf Friedhöfen oder in Kirchen. Sollte es da nicht Grenzen geben?

Heinemann: Die App bietet von sich aus an, unpassende Orte zu löschen - dazu gehören sicherlich auch solche, die von uns ein angemessenes Verhalten erfordern. Wie schnell oder zuverlässig das Löschen geht, kann derzeit aber noch nicht abgesehen werden. Doch das angemessene Verhalten auf Friedhöfen oder in Kirchen sollte selbstverständlich sein und ist nicht erst seit "Pokémon Go" wichtig - die Diskussion gab es schon einmal im Zusammenhang mit Selfies, zum Beispiel in Gedenkstätten. Das ist eine Frage der Kultur und der Sensibilität, dafür muss ein Bewusstsein gebildet werden.

Kerstin Heinemann
Bild: ©privat

Kerstin Heinemann ist medienpädagogische Referentin am JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Sie ist zertifizierte Medien- und Kommunikationspädagogin und hat Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit studiert.

Frage: Einige Bistümer sind auf den Hype aufgesprungen und haben zum Beispiel bei Facebook vermeldet, wenn es bei ihnen bestimmte Monster zu fangen gibt. Ist das eine Chance, mit kirchenfernen Menschen in Kontakt zu kommen - oder eher peinlich?

Heinemann: Das hängt immer davon ab, wie es gemacht wird. Auf dem Domplatz im Bistum Limburg zum Beispiel befindet sich im Spiel eine Arena. Das Bistum Limburg hat diese Information auf seine Facebookseite gestellt und alle Spieler eingeladen, zu kommen - aber gleichzeitig darum gebeten, sich im Dom selbst angemessen zu verhalten. Das finde ich sehr clever. Einen solchen Hinweis im Internet zu veröffentlichen, finde ich dann gelungen, wenn es charmant-authentisch gemacht ist. So können Spieler ihre Umgebung noch einmal neu entdecken - und warum sollte die Kirche nicht zeigen, dass sie einen Zugang zu dieser Spielekultur hat? Wenn so eine Aufforderung jedoch von einem wenig medienaffinen oder sogar überaus medienkritischen Bistum kommt, kann es schnell anbiedernd wirken.

Frage: Haben Sie Tipps für Eltern, deren Kinder das Spiel spielen?

Heinemann: Eltern sollten Medien grundsätzlich zum Thema machen - und zwar nicht erst, wenn das Kind nur noch vor dem Smartphone sitzt und nicht mehr ansprechbar ist. Über "Pokémon Go" können sie sich ja informieren - und es vielleicht auch mit ihren Kindern gemeinsam ausprobieren! Eltern sollten jüngere Kinder gezielt darauf aufmerksam machen, wie man mit diesem Spiel im Straßenverkehr umgeht. Speziell bei "Pokémon Go" möchte ich auf zwei Dinge aufmerksam machen: Erstens greift die App auf ziemlich viele Daten auf dem Smartphone zu. Jeder Spieler sollte sich zuerst in den Allgemeine Geschäftsbedingungen ansehen, welche Berechtigungen die App möchte, und sich dann bewusst entscheiden, ob es ihm das Spiel Wert ist und er das zulassen will. Das zweite ist, dass es im Spiel sogenannte In-App-Käufe gibt. Zwar ist die App kostenlos, aber man kann sich durch reale Währung Gegenstände kaufen, die im Spiel eingesetzt werden. Diese Gegenstände lassen sich aber durchaus auch erspielen - hier ist die Medienkompetenz der Spieler und der Eltern gefordert.

Hintergrund: "Pokémon Go"

Das Spiel "Pokémon" wurde 1996 als Anime-Game in Japan vom großen Spielevertreiber und -entwickler Nintendo für die eigene Spielekonsole entwickelt. Die Grundidee ist, dass der Spieler Monster einfängt, sammelt und trainiert - und sie gegen die eines Mitspielers kämpfen lässt. Das Spiel war beliebt, es gab viele Kinofilme und Merchandisingprodukte. Besonders bekannt wurde es in Deutschland etwa 1999 durch die Sammelkarten. "Pokémon Go" verbindet nun virtuelles Spiel mit realer Umgebung, sogenanntes Augmented Reality: Der Spieler muss, etwa um die Monster zu fangen, mit seinem Smartphone an bestimmte Orte gehen. Unter anderem für die Kämpfe kann er sich mit anderen Spielern zusammentun.
Von Johanna Heckeley