Präsident des Zentralrats der Juden erstaunt über hartnäckige Vorurteile

Schuster gibt Kirchen Mitschuld für Antisemitismus

Veröffentlicht am 23.09.2017 um 17:40 Uhr – Lesedauer: 
Judentum

Berlin ‐ Vorurteile über Juden halten sich unter Deutschen hartnäckig - das erlebt der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, immer wieder. Er glaubt, die Kirchen seien dafür mitverantwortlich.

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Für über Generationen weitergegebenen Antisemitismus in Deutschland macht der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, auch die beiden großen Kirchen mitverantwortlich. "Das ist ein über Generationen tradierter Antisemitismus. Da haben sicherlich beide christlichen Kirchen eine Mitschuld", sagte Schuster in einem Interview des "Tagesspiegels" (Sonntag) auf die Frage, warum sich Antisemitismus unter Deutschen so hartnäckig halte. "Hier wurde über Jahrhunderte von der Kanzel Judenfeindlichkeit gepredigt", so Schuster. "Auf diesem Boden hat nationalsozialistische Propaganda gut gefruchtet." Es sei erstaunlich, heute noch zu erleben, wie sich Vorurteile über Juden in der Bevölkerung hielten.

Steinchen statt Blumen

Schuster nannte ein Beispiel: "Mich hat neulich jemand gefragt, warum Juden keine Blumen auf ihre Gräber legen, sondern Steinchen. Ich habe ihm das dann erläutert: Wüstenwanderung, Beerdigung, wilde Tiere, beste Möglichkeit, um das Ausbuddeln zu verhindern." Sein Gegenüber habe sich überrascht gezeigt, seine Eltern hätten ihm erklärt, dass die Steinchen bereitgelegt würden, "um bei der Wiederauferstehung auf Jesus werfen zu können".

In der deutschen Bevölkerung habe es in den vergangenen Jahrzehnten konstant 20 Prozent gegeben, die antijüdische Ressentiments hätten, sagte Schuster. Er verwies auf eine Untersuchung, in der vor ein paar Jahren jeder vierte Deutsche angab, keinen jüdischen Nachbarn haben zu wollen. "Dieses Gedankengut ist tief verwurzelt bei einem Teil der Bevölkerung. Ich bin nicht so optimistisch, zu glauben, dass sich daran etwas ändern wird." (KNA)